Die Finanzierung der AHV ist fürs Erste gesichert. Das knappe Abstimmungsergebnis zeigt jedoch, wie umstritten die Massnahmen sind – und das ist keine gute Voraussetzung für die nächste Reform.

BIANCA HÜSING
Auch wenn die Reformbefürworter sich am Sonntag durchgesetzt haben – Grund zum Jubeln haben sie nicht. Erstens ist das Ja zur AHV-Revision denkbar knapp ausgefallen. Je länger der Abstimmungskampf anhielt, desto geringer wurde die Zustimmung (was für Behördenvorlagen eine ungewöhnliche Entwicklung ist). Zweitens waren die Frauen mehrheitlich gegen die Erhöhung ihres Renteneinstiegsalters, wurden aber von den Männern überstimmt. Das muss selbst bei den Gewinnern dieses Urnengangs einen bitteren Beigeschmack hinterlassen. Denn drittens sind ganz zentrale Probleme mit dieser Reform nicht gelöst: die Lohnunterschiede und die daraus resultierende Rentenschere zwischen den Geschlechtern. Fürs Gefühl – und wahrscheinlich auch fürs Abstimmungsresultat – wäre es daher wohl besser gewesen, wenn man am Sonntag zeitgleich eine Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) hätte präsentieren können. Doch die ist kaum in Sicht. Wenn sich National- und Ständerat überhaupt auf eine Vorlage einigen können, wird dies womöglich ein weicher Kompromiss ohne tiefgreifende Änderungen sein.

Nur eine temporäre Lösung
Sind nun wenigstens die Probleme der AHV gelöst? Fürs Erste schon. Legt man die – durchaus umstrittenen – Zahlen des Bundesrats zugrunde, droht der staatlichen Pensionskasse in den kommenden zehn Jahren eine Unterfinanzierung von 18,5 Milliarden Franken. Dieses Loch soll einerseits durch die spätere Pensionierung der Frauen (geschätzte Minderausgaben: 4,9 Milliarden) und andererseits durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer (geschätzte Mehreinnahmen: 12,4 Milliarden) gestopft werden. Mit dem Segen der Stimmbevölkerung können diese Massnahmen nun ab 2024 umgesetzt werden. Sie bringen jedoch keine vollständige und erst recht keine dauerhafte Entlastung. Selbst wenn man die Berechnungen für übertrieben hält und die AHV in den kommenden Jahren besser dastehen sollte als befürchtet: Früher oder später wird sich der demografische Wandel in der Rentenkasse bemerkbar machen. Die nächste Revision lässt deshalb nicht lange auf sich warten. Bereits vor einem Jahr beauftragte das Parlament den Bundesrat, bis Ende 2026 eine Vorlage auszuarbeiten – und die dürfte es noch schwerer haben als die letzte, da die Möglichkeiten zur Aufbesserung der Finanzen begrenzt sind und eine generelle Erhöhung des Rentenalters kaum mehrheitsfähig wäre.

Kandergrund und Krattigen am skeptischsten in der Region
Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr so erstaunlich, dass die Zustimmung zur «AHV 21» nachliess und sich am Ende nur noch 50,6 Prozent der UrnengängerInnen dafür erwärmen konnten. Der Graben verlief nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch zwischen den Sprachregionen. In der Westschweiz und im Tessin bekam die Vorlage eine deutliche Abfuhr (besonders im Jura mit 71 Prozent Nein-Stimmen). Die Deutschschweizer Kantone votierten (mit Ausnahme von Schaffhausen und Basel Stadt) zwar dafür. Doch je näher der Kanton an die Romandie grenzt, desto knapper fiel das Ja aus – im Kanton Bern lag es mit 50,4 Prozent unter dem Landesdurchschnitt.

Freilich gab es auch hier graduelle Unterschiede. Im Berner Jura sprachen sich nur 32 Prozent für die AHV-Revision aus, im Mittelland 50 und im Frutigland 60 Prozent. Besonders klar für eine Erhöhung des Frauenrentenalters stimmte Adelboden mit fast 70 Prozent. Am skeptischsten zeigten sich hier Kandergrund (55 Prozent) und Krattigen (56 Prozent) – zwei Gemeinden, die sonst selten gleich abstimmen.

Insgesamt weniger Mühe hatten die StimmbürgerInnen mit der Anhebung der Mehrwertsteuer – obwohl sie alle betrifft und trotz der momentanen Wirtschaftskrise. Dieser Teil der AHV-Reform wurde schweizweit mit 55 Prozent und in den Frutigländer Gemeinden mit bis zu 67 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Selbst das Tessin und das Wallis votierten dafür. Womöglich muss der Bundesrat bei der nächsten Reform vor allem auf die Einnahmenseite setzen, wenn er eine Niederlage vermeiden will.

Abstimmung: Kein Grund zum Jubeln

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