Die Umfahrung zwischen Frutigen und Adelboden ist vom Tisch – ein entsprechender Vorstoss Kurt Zimmermanns ist am Dienstag vom Grossen Rat abgelehnt worden. Ganz aufgeben will der SVP-Politiker jedoch noch nicht.

BIANCA HÜSING
Oberländer sind hartnäckig. Diesen Eindruck erwecken zurzeit zumindest die hiesigen Grossräte. Einen Tag nach Martin Eggers Motionserfolg (siehe Artikel unten) versuchte auch Kurt Zimmermann, eine Mehrheit für seinen Vorstoss zu finden. Trotz klarer Absage aus dem Regierungsrat (der «Frutigländer» berichtete) hielt er an seinem Vorhaben fest, die Umfahrungsstrasse zwischen Frutigen und Adelboden mittelfristig wieder in die kantonale Strassenplanung aufzunehmen. Seit ein solches Projekt 1999 erstmals ins Spiel gebracht worden war, ist nicht viel passiert. Dabei wird – so Zimmermanns Überzeugung – der Leidensdruck für die Frutiger Zentrumsbewohner immer grösser.

Mit falschen Zahlen operiert?
Um die schlechte Ausgangslage für seine Motion zu verbessern, änderte der SVP-Politiker seine Strategie. Er hatte einerseits einen Planungskredit für die Umfahrung im Finanzplan 2019 gefordert. Andererseits solle der Regierungsrat das Bauprojekt ins Strassenbauprogramm 2021–2024 aufnehmen. Diesen zweiten Punkt zog Zimmermann bereits im Vorfeld der Debatte zurück – er habe unterdessen eingesehen, dass der Zeitplan zu sportlich sei. Den Planungskredit forderte er weiterhin, allerdings nur noch als Postulat. Genutzt hat ihm das Einlenken nichts: Mit einer hauchdünnen Mehrheit von 79 zu 72 Stimmen bodigte der Grosse Rat den Kredit.

Dabei hatte Zimmermann sich alle Mühe gegeben, die Skeptiker auf seine Seite zu ziehen – und dabei auch Kritik an der Regierung geübt. «Das Vorgehen des Kantons ist nicht ganz untypisch, mit unkorrekten Begründungen zu argumentieren», meinte der Frutiger. So habe der Kanton seine Verkehrszählung ausgerechnet im Juni durchgeführt, um zu belegen, dass im Schnitt nur 4000 Fahrzeuge pro Tag nach Adelboden führen. Dabei gehöre der Juni eindeutig zur Zwischensaison, im Winter kämen über 8000 zusätzliche Fahrzeuge dazu. An dieser Stelle sprang ihm der Adelbodner Jakob Schwarz (EDU) zur Seite, der für eine Annahme des Planungskredits als Postulat plädierte: «Adelboden ist sehr winterlastig». Sportgeschäfte und Bergbahnen generierten über 80 Prozent ihres Umsatzes in der kalten Jahreszeit. Diese Zahlen könne man nicht ignorieren.

«Wie soll ich Därstetten erklären, dass sie keine Umfahrung bekommen?»
Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) relativierte das Zahlenargument. Andere, ebenfalls kleine Ortschaften hätten mit wesentlich mehr Verkehr zu kämpfen. Durch Därstetten etwa führen 9000 Fahrzeuge pro Tag. Frutigen erreiche diesen Wert nur an absoluten Spitzentagen, wie auch der fix installierte ASTRA-Zähler bestätige. Das sei an 6 bis 10 Wochenenden im Jahr der Fall. «Wie soll ich Därstetten nachher erklären, dass sie keine Umfahrung bekommen?» Würde man Frutigen mit seiner vergleichsweise geringen Verkehrsbelastung dieses Projekt zugestehen, müsse man das bei Dutzenden anderer Ortschaften ebenfalls tun. Die Regierung könne nicht einzelne Orte bevorzugen – schon gar nicht vor dem Hintergrund, dass dem Kanton zwischen 2022 und 2027 «mehrere Hundert Millionen» Franken fehlten. Stattdessen unterstrich Neuhaus abermals den Nutzen der geplanten Dorftstrassensanierung, die Frutigen eine «tip top sanierte und moderne» Hauptstrasse verschaffe.
Auch Ueli Frutiger von der BDP argumentierte dafür, den vorgesehenen Beruhigungsmassnahmen (Tempo 30 und Mittelstreifen) erst einmal eine Chance zu geben.

Ein denkbar knappes Ergebnis
Die anderen Fraktionen blieben ebenso kritisch gegenüber Zimmermanns Vorstoss. EVP und Grüne räumten ein, dass viel Verkehr die Lebensqualität senke. Die Lösung sehen die Parteien allerdings nicht darin, dem motorisierten Verkehr noch mehr Raum zu geben. Die glp, der auch der Frutiger Martin Egger angehört, hielt die Motion / das Postulat für den falschen Weg, ein solches Projekt durchzusetzen. Und die SP erinnerte die Bürgerlichen an ihre eigenen Prinzipien: «Nicht alles, was wünschenswert wäre, sollte gebaut werden.»

Dass es in der Abstimmung knapp wurde, liegt vor allem an SVP, FDP und EDU: Sie stimmten dem Postulat grossmehrheitlich zu. Auch in der BDP gab es trotz des anderslautenden Votums eine Reihe Befürworter, darunter die Krattigerin Anita Luginbühl.

«Vielleicht muss ich anders vorgehen»
Kurt Zimmermann zeigt sich erwartungsgemäss enttäuscht vom Ausgang der Debatte. «Schade, dass die gesamte glp und ein Teil der FDP den Planungskredit ablehnten», kommentiert er gegenüber dem «Frutigländer». Dies auch vor dem Hintergrund, dass die SVP tags zuvor die glp-Motion zur Begrenzung der Regierungsratsrenten unterstützt habe (siehe Artikel auf Seite 1).

Für die nächsten Jahre sei das Umfahrungsprojekt vom Tisch, da ein abgelehnter Vorstoss in der gleichen Legislaturperiode kein zweites Mal eingereicht werden solle. Komplett aufgeben will Zimmermann deshalb aber nicht: «Ich werde das Thema sicher weiterverfolgen. Vielleicht muss ich dabei einfach anders vorgehen.» Er wolle nun eine günstige Gelegenheit abwarten, um das Umfahrungsprojekt in den Strassennetzplan einzugeben, damit es im Investitionsrahmenkredit Aufnahme findet.

KOMMENTAR

Keine Schützenhilfe

Wollen Politiker ihre Ziele erreichen, müssen sie Allianzen schmieden und Mehrheiten organisieren. Idealerweise sollten dabei inhaltliche Gemeinsamkeiten im Vordergrund stehen. Das Prinzip «eine Hand wäscht die andere» mag zwar praktisch sein, doch im Parlament hat es eigentlich nichts verloren. Es geht schliesslich nicht darum, sich gegenseitig einen Gefallen zu tun, sondern um die Sache. Wer also im Wahlkampf eine weitsichtige Finanzpolitik fordert, sollte später jedes Kreditgeschäft daraufhin prüfen. Wer sich als ökologische Partei begreift, muss sich im parlamentarischen Alltag daran messen lassen. Nur so erhalten die Parteien ihr Profil und sind für die WählerInnen unterscheidbar.

BIANCA HÜSING

B.HUESING@FRUTIGLAENDER.CH

Absage für Frutiger Strassenprojekt

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