«Wir machen ein Schwingfest, wie es sein soll»

  13.06.2023 Frutigen, Sport

In knapp einem Monat findet das Oberländische Schwingfest statt. OK-Chef Hans Germann sprach mit dem «Frutigländer» über die Besonderheiten des Anlasses, über Entwicklungen im Schwingsport und das attraktive Teilnehmerfeld am «Oberländischen».

Wer dieser Tage Hans Germann trifft, erlebt einen zufriedenen OK-Chef. Die Sitzplätze für das «Oberländische» sind ausgebucht, die Stehplatztickets verkaufen sich gut.

Hans Germann, Werbung müssen Sie fürs Schwingfest im Juli nicht mehr machen, oder?
Nein, das müssen wir zum Glück nicht. Im Gegenteil: Ich hatte dieser Tage Kontakt mit TeleBärn, die wollten ein Werbefilmchen für unseren Anlass produzieren. Da habe ich gesagt: Lieber nicht! Mehr als ausverkauft können wir ja nicht sein.

Sind Sie am Ende vielleicht sogar traurig, dass Sie das Festgelände nach der Corona-Absage zur Schulanlage im Widi verlegt haben? Auf dem Flugplatzareal wäre mehr Platz gewesen …
Ganz klar: Nein. Auf dem Flugplatz hätten wir quasi bei null angefangen. Da müssten jetzt Hunderte Meter Stromkabel und Wasserleitungen gezogen werden, man müsste den Untergrund präparieren, die ganze Infrastruktur erst einmal aufbauen. Das alles ist durch die Verlegung weggefallen. Auf dem Schulgelände gibt es zum Beispiel schon einen asphaltierten Platz, auf den man direkt die Tribüne stellen kann. Das erleichtert uns die Arbeit enorm.

Und es hat vermutlich auch das Budget entlastet?
Das konnten wir halbieren! Wir waren mal bei 900 000 Franken, jetzt liegen wir bei 450 000. Das ist immer noch viel, aber unter den gegebenen Umständen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir am Ende nicht drauflegen werden. Mit anderen Worten: Als OK-Chef schlafe ich derzeit sehr gut.

Da wir gerade über die Finanzen reden: Ohne externe Unterstützung geht bei einem Fest dieser Grössenordnung heute nichts mehr?
Das ist so. Ohne Sponsoren ist so etwas nicht mehr zu stemmen, und deshalb sind wir froh und dankbar, dass nach der Absage 2020 fast alle bei der Stange geblieben sind.

Und das, obwohl das Fest ja kleiner geworden ist ...
Am Ende werden wir knapp 5000 Leute auf dem Platz haben. Das sind etwas weniger, als es auf dem Flugplatz gewesen wären, aber so wenige dann eben auch nicht. Klassiker wie der Schwarzsee-Schwinget und das Schwingfest auf dem Weissenstein haben etwa dieselbe Grösse, und ich finde das genau richtig, auch von der Atmosphäre her. Es soll ja noch persönlich sein.

Sie haben die Sponsoren erwähnt, die nach 2020 dabeigeblieben sind. Wie sieht es mit dem OK aus?
Ungefähr die Hälfte der OK-Mitglieder ist nach der Absage ausgestiegen, die Enttäuschung war damals gross. Ich selbst war erst fürs Sponsoring zuständig, nach der Verschiebung wurde ich OK-Präsident. Die frei gewordenen Ressorts mussten wieder besetzt werden, und dafür habe ich dann gezielt Spezialisten angesprochen.

Was meinen Sie mit Spezialisten?
Traditionell besteht so ein Schwingfest-OK weitgehend aus Mitgliedern der örtlichen Schwingersektion, das war auch bei uns anfangs so. Das bedeutet dann allerdings, dass der Fokus manchmal zu stark auf dem Sportlichen liegt. Das ist sicher wichtig, aber in einem OK geht es auch um viele andere Fragen: Sicherheit, Abfallentsorgung, Elektrik und vieles mehr. Da ist es gut, wenn Sie Leute im Team haben, die aus diesen Bereichen kommen. Denn die wissen, wovon sie reden; andere müssten sich erst einarbeiten.


Der Schwingsport ist in den letzten Jahren sehr populär geworden, im Bernbiet besonders, aber auch in vielen anderen Regionen der Schweiz. War es vor 15 Jahren noch ungewöhnlich, wenn jemand an ein Schwingfest ging, ziehen solche Anlässe heute die Massen an. Mit der gewachsenen Popularität hat sich auch das Publikum verändert. Die Hälfte der Festbesucher seien heute unter 30 Jahre alt, erzählt Hans Germann, und 30 Prozent seien Frauen. Er freut sich, dass das Schwingen so beliebt ist, denn das erleichtere die Nachwuchsarbeit und ermögliche den aktiven Sportlern gute Sponsoringverträge. Für diejenigen, die ein Fest organisieren, bringt der Boom jedoch zusätzliche Herausforderungen mit sich.

Hans Germann, Sie besuchen viele Schwingfeste und beobachten dort, wie sich diese Anlässe entwickeln und verändern. Was fällt Ihnen auf?
Gerade bei den mittelgrossen Festen werden immer die gleichen Anfängerfehler gemacht. Ein Beispiel: Die Organisatoren wollen den Leuten natürlich etwas bieten und stellen deswegen ein Riesenprogramm auf die Beine. Abgesehen davon, dass man das auch finanzieren muss, bekommen sie dann spätestens am Sonntag ein Personalproblem.

Weil sich die Helfer schon vorher ausgepowert haben?
Genau, und das ist ja auch völlig klar. Wenn die mehrere Tage hintereinander erst um zwei oder drei Uhr ins Bett kommen und am nächsten Morgen um sechs Uhr wieder auf der Matte stehen, sind sie am Sonntag fertig. Dabei ist das der wichtigste Tag! Aber dann sind die Helfer müde, in der Folge hakt es bei der Essensausgabe, die Besucher müssen überall anstehen und so weiter.

In Frutigen wollen sie all das vermeiden, nehme ich an?
Wir versuchen es zumindest. Das Menü am Sonntag zum Beispiel lassen wir uns von extern anliefern. Dadurch sparen wir bei der Infrastruktur, und vor allem brauchen wir an dieser Stelle weniger Helfer. Ausserdem haben wir das Begleitprogramm bewusst übersichtlich gehalten. Wir wollen uns aufs Schwingen konzentrieren. Alles, was nicht nötig ist, haben wir weggelassen. Am Samstagabend zum Beispiel gibt es kein Programm.

Das heisst also: Helferinnen und Helfer haben sie genug?
Jein. Weil wir die Schulanlage nutzen, findet das Fest relativ spät statt – wir mussten ja in die Sommerferien ausweichen. Das aber hat die Personalsuche erschwert. Bei einem solchen Fest braucht man ungefähr zehn Prozent der Zuschauerzahl als Helfer. Wir haben aktuell rund 300. Gemessen an der Gästezahl wäre das etwas knapp. Aber wie gesagt: Die schon vorhandene Infrastruktur, das Auslagern des Essens und das überschaubare Rahmenprogramm entlasten uns. Trotzdem sind wir froh um jede helfende Hand! Wer noch dazustossen möchte, kann sich über unsere Website gern melden. (Adresse am Ende des Artikels)

Abgesehen vom nötigen Personal: Würden Sie sagen, dass es heute grundsätzlich aufwendiger ist, ein solches Fest auf die Beine zu stellen?
Wir werden glücklicherweise von vielen Seiten unterstützt, nicht nur von Sponsoren, sondern auch durch die Gemeinde Frutigen. Dort ist man sehr zuvorkommend, wir können vielfältige Hilfe in Anspruch nehmen, zum Beispiel durch den Zivilschutz. Aber ganz klar: So ein Fest zu organisieren, ist eine komplexe Aufgabe. Das fängt schon bei ganz banalen Dingen an.

Schiessen Sie los!
Also: Weil mehr Frauen an die Feste gehen, braucht es eine andere WC-Infrastruktur. Das bargeldlose Zahlen ist mittlerweile sehr verbreitet, also muss man auch das berücksichtigen. Immer mehr Leute erwarten beim Essen eine fleischlose Alternative; das ist einfach so, und darauf müssen Sie eingehen. Oder denken Sie an den Abfall: Der wird heute getrennt gesammelt und so weit wie möglich recycelt – was ja gut ist! Aber das erfordert andere Entsorgungskonzepte als früher und verursacht beim Organisator mehr Kosten. Wir rechnen pro Besucher einen Franken nur für diesen Bereich. Ich könnte die Liste noch lange fortsetzen. Parallel dazu sind auch die Auflagen mehr geworden, zum Beispiel, was die Sicherheit betrifft. Auch das ist gut, aber eben: Sie müssen das auch alles abnehmen und bewilligen lassen, was wiederum aufwendig ist und Geld kostet. Auf der anderen Seite kann man aber die Preise nicht beliebig erhöhen; da ist bei den Leuten irgendwann eine Schmerzgrenze erreicht.

Wenn man das so hört, ist es kein Wunder, dass manche Veranstalter in die roten Zahlen rutschen – man denke etwa ans letzte «Eidgenössische» in Basel, wo sich in der Kasse ein Loch von 3,8 Millionen Franken auftat.
Ich bin überzeugt, dass sich bei der Organisation künftig etwas ändern wird, gerade bei den grossen Festen. Die Zeiten, in denen solche Anlässe irgendwo «auf der grünen Wiese» stattfinden, sind vorbei. Das kann niemand mehr finanzieren, und auch punkto Logistik und Ökobilanz ist es nicht mehr machbar.

Was sind die Alternativen?
Man wird entweder bestehende Infrastrukturen nutzen müssen; das Bernisch-Kantonale Schwingfest 2027 wird in Thun in der Stockhorn-Arena stattfinden: Dort ist alles vorhanden, was man braucht. Oder es werden sich mehrere Veranstalter eine selbst erstellte Infrastruktur teilen. Dann findet erst ein Open Air statt – und eine Woche später am selben Ort das Schwingfest. Auch dafür gibt es schon Beispiele.

Das bedeutet aber auch, dass die Zeit der ganz grossen Feste vielleicht vorbei ist.
Das ist möglich. Man wird eben mit den Dimensionen arbeiten müssen, die ein Veranstaltungsort bietet. Und wenn man die Kapazitätsgrenze erreicht hat, ist halt Schluss. Aber das muss nichts Schlechtes sein. Wie gesagt: Mir persönlich ist ein überschaubares Fest sowieso lieber.

«Bescheidenheit und Demut ist angesagt», so schreibt Hans Germann im Festführer. Der Satz bezieht sich einerseits auf die Pandemie: In Frutigen ist man froh und dankbar, das «Oberländische» doch noch durchführen zu können. Aber die Worte fassen vielleicht auch einen Trend zusammen: weg vom Gigantischen, vom Überladenen, von den immer grösseren Ansprüchen. In Frutigen zeigt sich diese Haltung in Kleinigkeiten. Zum Interview kommt Hans Germann in einem Shirt mit dem aufgedruckten Logo des Schwingfestes – doch die Jahreszahl darauf lautet immer noch 2020. Auch viele Sachpreise werden das ursprüngliche Datum tragen, sogar die Kränze. «Wer weiss», mut- masst Germann, «vielleicht werden die mal zu einer Rarität, weil sie an diese besondere Zeit ab 2020 erinnern.»

Hans Germann, wenn Sie das bevorstehende Fest in einem Satz zusammenfassen sollten, was würden Sie sagen?
Wir machen ein Schwingfest, wie es sein soll – bodenständig und traditionell.

Ein Fest, das auch gut zur Region passt?
Durchaus. Das «Oberländische» war immer ein traditionelles, klassisches Schwingfest. Wir haben versucht, dem Rechnung zu tragen, indem wir allen 14 oberländischen Sektionen die Möglichkeit gaben, vorab Tickets zu bestellen. Wir wollen den echten Schwingfans etwas bieten!

Und das wurde auch wahrgenommen? Die Sektionen haben Tickets geordert?
Das wurde sehr gut angenommen. Die Leute wollen doch «ihre» Schwinger sehen, und das zu Recht. Ein Drittel aller Kränze wird derzeit von den Oberländern gewonnen.

Das Teilnehmerfeld ist insgesamt sehr attraktiv.
Absolut, da haben wir wirklich Glück. Die meisten aktuellen Berner Spitzenschwinger werden kommen, Fabian Staudenmann, Matthias Aeschbacher, Remo Käser, Patrick Schenk. Joel Ambühl aus der Innerschweiz wird dabei sein, Matthieu Burger, der gerade am «Seeländischen» den 3. Rang holte, Florian Gnägi wird sein Comeback haben. Dann natürlich die Oberländer Elite, angeführt von Kilian Wenger und Curdin Orlik. Wir werden in Frutigen zwölf Eidgenossen begrüssen dürfen, das sind viele für so ein Gaufest.

Man darf sich in den sechs Ringen also auf spannende Paarungen freuen.
Ja, zumal heute offensiver geschwungen wird. Man will gewinnen – und nicht nur nicht verlieren. Für die Zuschauer ist das attraktiv.

Zum Abschluss noch eine Frage abseits des Sports. Sie haben erwähnt, dass das Essen an den Schwingfesten heute vielfältiger ist als früher. Was wird in Frutigen geboten?
Es wird für alle etwas dabei sein. In unserer Festwirtschaft gibt es Klassiker wie Bratwurst, Steak oder Chesbrätel, aber auch Bündner Gerstensuppe und Älplermagronen. Zum Festbankett servieren wir Hamme mit Härdöpfelsalat, und zwar für alle gleich, bis hinauf zum Bundesrat.

Die Website des Oberländischen Schwingfests: www.schwingfest-frutigen.ch


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote