Wie ein Extremsportler in den Besitz eines Altersheims kam
05.08.2025 Porträt, KanderstegAm härtesten Ruderrennen der Welt war Florian Ramp mitten im Ozean auf sich alleine gestellt. Lebensbedrohliche Umstände liess er gar nicht erst auf sich wirken. Nach der Rückkehr stürzte sich der Spitzenathlet ins nächste Abenteuer: Er kaufte das Seniorenzentrum ...
Am härtesten Ruderrennen der Welt war Florian Ramp mitten im Ozean auf sich alleine gestellt. Lebensbedrohliche Umstände liess er gar nicht erst auf sich wirken. Nach der Rückkehr stürzte sich der Spitzenathlet ins nächste Abenteuer: Er kaufte das Seniorenzentrum Schweizerhof in Kandersteg.
Die Atlantiküberquerung im Ruderboot startete Florian Ramp im Dezember 2019 auf den Kanaren mit der Idee, zu gewinnen. Sein Partner musste nach neun Tagen wegen Seekrankheit aufgeben.
Weil keine Sicherheitsboote mitfuhren, ankerten die beiden während dreier Tage an einem Ort, bis die Verantwortlichen der Organisation den Patienten abholten. Während dessen Krankheit hatte Ramp nahezu allein gerudert. «Ich fühlte mich wahnsinnig wohl dabei.» Also machte er weiter, obwohl die Aussicht auf den Sieg begraben war. Kurz darauf stieg die Entsalzungsanlage für die Trinkwassererzeugung aus. Erst konnte er die Anlage mithilfe einer Videoanleitung !icken, danach versagte sie wieder. «Ich war total am Boden.» Nach den Anweisungen eines Ingenieurs per Satellitentelefon sollte er die Filteranlage mithilfe eines «blauen Schlüssels» wechseln. «Genau diesen hatten wir jedoch unwissentlich vorgängig ausgepackt, um Gewicht zu sparen.» Mit einem Tau und einem Schraubenzieher gelang es ihm schliesslich, den Filter zu öffnen.
«Bei Problemen darfst du nicht wegschauen. Es wird sonst immer gefährlicher. Du musst sie angehen. Das gilt auch fürs Leben als Unternehmer.»
«Den weissen Hai musst du vergessen»
Der damals 42-Jährige ruderte zwölf Stunden am Tag. Beim Schlafen – zwei Stunden am Stück war das höchste der Gefühle – schaltete er den Autopiloten ein. Die Wellen wiegten ihn auf und ab, bis zu fünf Meter massen sie. Etwas Angst habe er vor dieser Transatlantik-Regatta anfangs gehabt. Früher seien Teilnehmer unterwegs gestorben. «Heute ist die Wahrscheinlichkeit nahezu 100 Prozent, dass du überlebst.» Die Ruderer müssen sich permanent anbinden. Denn fallen sie ohne Sicherung ins Meer, wird es enorm gefährlich.
Das Boot ist getestet und Inspektoren kontrollieren vorgängig, ob von der Nahrung bis zu Navigationsystemen alles den Vorschriften entspricht. Überdies legen die Veranstalter viel Wert auf die Vorbereitung. «Wir haben an Schweinefüssen gelernt, Platzwunden zu nähen. Doch einen Sturm kannst du nicht üben.» Haie oder Wale hat der Zürcher keine gesichtet. Vielmehr wurde er bei der Ankunft von Delfinen begleitet. «Dass ein weisser Hai dein Boot umkreisen könnte, musst du vergessen. Nicht alles, was in dein Hirn kommt, darfst du zulassen.» Der Profiruderer wollte so schnell wie möglich ans Ziel gelangen – ohne langfristige gesundheitliche Schäden. Zudem hatten er und sein Partner vereinbart, Freunde zu bleiben, egal, was passieren würde.
Idee entsprang in Hongkong
Ramp ist mit dem Rudern gross geworden. Als er in den Neunzigern die Kochlehre im «Eden au Lac» in Zürich absolvierte, erlaubte ihm sein Chef, der Adelbodner Rudolf Bärtschi, für Wettkämpfe frei zu nehmen. «Er hat mir meine Laufbahn ermöglicht, sodass ich später Erfolge feiern konnte.» Der heute 47-jährige Ramp blickt auf eine Sportlerkarriere mit acht Jahren in der Nationalmannschaft und 14 Schweizermeistertiteln zurück. «Deshalb möchte ich etwas zurückgeben, sei es indem ich meinen Angestellten ähnliche Chancen biete, indem ich Ruderregatten organisiere, oder indem ich für Athleten und Sportveranstaltungen spende.» Nachdem er die Matura nachgeholt und Wirtschaft studiert hatte, zog es ihn als Unternehmensberater nach China.
Für einen Finanzdienstleister wirkte er ein Jahr in Hongkong. Im lokalen Ruderclub trainierte er mit einem Kameraden, der im Zweierboot den Atlantik überquert hatte. Diese Herausforderung begann ihn zu beschäftigen. «Ich wollte wissen, ob ich mir das zutraue und hart genug dafür bin.»
Weichenstellung am karibischen Strand
Und ob er das war! Das Ziel Antigua erreichte Ramp unversehrt nach 59 Tagen auf hoher See. Seine chinesische Frau wollte ihn dort empfangen. Weil sie aus ihrem Heimatland an!og, wo das Coronavirus ausgebrochen war, wurde sie auf der Militärbasis festgehalten und auf die Insel St. Martin, den Zwischenstopp ihrer Reise, zurückgeschickt. Dort traf der Extremsportler seine Frau schliesslich. «Wir sassen am Strand. Ich hatte 20 Kilogramm abgenommen und konnte nach 4800 Kilometern sitzen und rudern kaum mehr gehen.» Während der Erholungszeit entdeckte der Zürcher im Internet eine Firma, die P!egekräfte vermittelt, und erwarb diese. Er hatte in der Vergangenheit bereits für einen Zulieferer von Spitex-Organisationen gearbeitet. «Ich wollte mich weiterhin fürs Gesundheitswesen einsetzen und mit guten Menschen etwas Sinnvolles anpacken.» So kam es, dass Ramp zusammen mit vier Freunden der Familie Künzi das Altersheim in Kandersteg abkaufte.
Engagierte Menschen in idyllischer Landschaft
Das ehemalige Belle-Epoque-Hotel Schweizerhof ist ein Zuhause mit 35 P!egeplätzen und vier Alterswohnungen. Das Ziel der Trägerschaft um Ramp ist es, der betagteren Bevölkerung in Kandersteg und Umgebung Dienstleitungen anzubieten, die ihr Leben erleichtern. «Überdies möchten wir ein guter Arbeitgeber sein und jungen Leuten vor Ort den Berufseinstieg ermöglichen. Ich bin stolz auf unsere sieben Lernenden.» Von den Menschen in der Region schwärmt der Unternehmer. Als es Mitte April rekordmässig schneite, fiel im Schweizerhof der Strom aus. Um fünf Uhr in der Früh begannen Angestellte sofort damit, die Panne zu beheben. «Dieses Engagement hat mich berührt. Das kenne ich von der Stadt her nicht. Wenn das Tram nicht fährt, machen manche Leute grad blau.» Was im Altersheim funktioniert, möchte Ramp so belassen. «Es ist wie beim Rudern. Wenn es läuft, dann geniesse es.»
Neue Angebote sind Ferienbetten für Rentnerinnen und Rentner, Spiel- und Bewegungsnachmittage im Tageszentrum für Aussenstehende oder ein Mahlzeitendienst für ältere Semester. Zwei Mal die Woche verp!egen sich Kinder bei ihnen am Mittagstisch. «Es ist immer schön, wenn sie an Geburtstagen der Pensionäre singen. Bei uns treffen sich die Generationen.» Der Familienvater, der im Kanton Schwyz lebt, will alle zwei Wochen in Kandersteg weilen, um sich persönlich um die Anliegen der Angestellten und Bewohnenden zu kümmern. Das Bergdorf und seine Landschaft haben es ihm angetan. «Jedes Mal, wenn ich vor Ort bin, denke ich: Läck, isch das schön hie.»
YVONNE BALDININI