Wetterglück beim Alpaufzug

  25.06.2024 Adelboden

Am frühen Samstagmorgen bewegte sich eine lange Kuhkarawane in Begleitung ihrer Sennen und vieler HelferInnen in Richtung Engstligenalp. Der traditionelle Marsch blieb von Regen verschont.

RETO KOLLER
Bereits am Mittwoch vor dem Alpaufzug versammelten sich mehrere Hundert Kühe und Jungtiere sowie Senninnen und Sennen im weitläufigen Gebiet am Fusse der Engstligenalp. Der Anmarsch der Bauernfamilie Stoller etwa dauerte laut Peter Stoller rund fünf Stunden. Die zwölfjährige Tochter Aline präzisiert: «Es waren genau fünf Stunden und acht Minuten. Ich habe gemessen!» Bis zum Alpaufzug vom Samstag treiben die Sennen jeweils morgens und abends ihre Tiere zusammen, um sie zu melken. Anschliessend verlieren sich die Kühe wieder in der bewaldeten Landschaft unter dem spektakulären Wasserfall. Ältere und schwache Tiere oder Kälber überwinden die rund 600 Höhenmeter am Vortag des Alpaufzuges mit der Transportbahn.

Keine unangenehmen Zwischenfälle
Am frühen Samstagmorgen ist es dann so weit. Senn Willi Inniger gehört zu den Ersten, die ihre Herde zusammengetrommelt haben und sie zum anstrengenden Marsch auf die Alp führen. Manche Bauern haben ihre Tiere mit Leuchtbändern versehen, um sie in der Dunkelheit des noch nicht angebrochenen Tages schneller zu finden. Wer alle Tiere hat, kann losgehen.

Auch Peter Stoller führt zusammen mit seinen HelferInnen die Herde Richtung Engstligenalp. Die vorausgehende Leitkuh bestimmt das zügige Tempo. Vier Tiere eines anderen Bauern bilden den Schluss der Gruppe. «So vermeiden wir unangenehme Zwischenfälle, falls den fremden Tieren einfallen sollte, sich um ihren Platz in der Herde zu streiten», erklärt der erfahrene Senn. Die Emmentaler Bäuerin Eveline ist mit Stollers befreundet. Sie begleitet die Herde seit Jahren. Die Helferin wird später erzählen: «Der Aufstieg war angenehm. Die wenigen Gäste, die entgegen der Anweisung mitmarschiert sind, haben sich aufmerksam und verständnisvoll verhalten.» Das war nicht immer so. Eveline erinnert sich an brenzlige Augenblicke, als Touristen sich an schmalen Stellen an die Felswand drängten. «Wir befürchteten, dass Kühe deswegen abstürzen könnten.»

Mit Weisswein und O-Saft begrüsst
Es gibt jeweils genügend Arbeit für die Begleiterinnen und Begleiter. Laut Peter Stoller sollten sie «gwaanet» sein im Umgang mit den Tieren. Kurz vor dem Ziel büxt eine Kuh aus, sie verlässt den Pfad, um sich am Gras auf der abschüssigen Weide gütlich zu tun. Ein Zügelhelfer macht sich eilig daran, das Tier wieder auf den richtigen Weg zu lotsen. Auf der Anhöhe am Ende des Pfades erwartet eine Schar Besucher die in viele Gruppen aufgeteilte Karawane. Die Tiere beäugen die Gäste kurz, bevor sie ungerührt nach eineinhalbstündigem Marsch ihrem Ziel entgegentrotten. Ein Alphorntrio untermalt die Szenerie. Bruno Riesen, Geschäftsführer der Bergbahnen Engstligenalp AG, und Verwaltungsrats-Vizepräsident Thomas Egger begrüssen die ankommenden Sennen und ihre HelferInnen persönlich am Ende ihres Aufstiegs. Egger ruft die meisten unter ihnen mit Vornamen zu sich an den Tisch und bewirtet sie mit Orangensaft und Weisswein. Die Kühe nehmen den letzten Kilometer ihrer Strapaze unter die Hufe. Das Hochplateau unter dem Wildstrubel mit seinem Blumenteppich wird in den kommenden Monaten ihr Zuhause sein.

Zur Galerie

 


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote