BILANZINTERVIEW Christine Lüthi ist seit zwölf Jahren Intendantin und Geschäftsführerin des Swiss Chamber Music Festivals. Sie sagt, wie sich die Publikumszahlen entwickelt haben und welche Botschaft ihr wichtig ist.

«Frutigländer»: Christine Lüthi, Sie und Ihr Team haben das Eröffnungskonzert mit dem Programm «Mozart y Mambo» von Sarah Willis und dem Havana Lycium Orchestra stark beworben. Hat es die hochgeschraubten Erwartungen erfüllt?

Ja, auf jeden Fall. Es war ein Glücksfall, dass der Auftritt zustande kam. Wir suchten lange Zeit nach einem passenden Lokal im Kandertal und wurden letztlich in der Bushalle der AFA fündig, welche die nötige Kapazität aufweist. Die 250 Tickets waren zwei Wochen vorher ausverkauft, und das Publikum zeigte sich begeistert. Das Projekt «Mozart y Mambo» gehört zu den Events, die sich nicht aus einer Schublade ziehen lassen. Sarah Willis von den Berliner Philharmonikern war zwar das Aushängeschild, aber der Auftritt lebte von der Spiel- und Lebensfreude der ganzen Formation. Das Team war der Star des Abends.

Wie sind Sie mit dem Publikumsaufkommen zufrieden?

Wir stellten einen deutlichen Anstieg bei den Preisträgerkonzerten fest. Das freut mich ausserordentlich. Auch das Mittwochskonzert war so gut besucht wie nie in den letzten fünf Jahren. Die Entwicklung macht uns Mut.

Die beiden bestbesuchten Anlässe hatten nicht direkt mit klassischer Kammermusik zu tun. Was folgern Sie daraus?

Ich ziehe daraus keine konkreten Schlüsse. Unser Auftrag ist es, jungen MusikerInnen attraktive Auftrittsmöglichkeiten von hoher Qualität zu ermöglichen. Wenn wir ein Event-Konzert wie bei der diesjährigen Eröffnung anbieten können, dann machen wir das sehr gerne.

Wovon hängt der Entscheid ab?

Der Act muss in unser Konzept passen, musikalisch hochstehend sein, und wir müssen ihn auch finanziell stemmen können. Das ist nicht in jedem Jahr der Fall. Unser Budget ist beschränkt. Wir versuchen, ungewöhnliche Erlebnisse mit ungewohnten Auftrittsorten zu verbinden. Wir konzertieren in Schreinereien, Holzfachschulen und Bushallen, wenn es die Umstände erfordern. Es hat seinen Reiz, scheinbar verschiedene Welten zu vereinen und Schranken abzubauen. Wir müssen am Boden bleiben und immer wieder Erlebnisse ermöglichen, welche Musik und Menschen zusammenbringen.

Holen Sie damit auch die Kandertaler Bevölkerung ab?

Sicher nicht in grossen Massen. Ich erlebe aber immer wieder kleine Wunder. Vor einigen Jahren kam ein Schüler im Rahmen eines Schulkonzertes in Kontakt mit unserem Festival. Er bekniete seine Mutter, die schliesslich einwilligte, ihn zum abendlichen Konzert zu begleiten. Der junge Mann ist heute Mitglied in unserem OK und hat uns einige neue Helfer gebracht. Wir merken, dass sich unser Festival in den schweizerischen Kulturkreisen einer hohen Bekanntheit erfreut. Die Wertschätzung ist viel höher als im Kandertal. Ich glaube jedoch festzustellen, dass wir von Jahr zu Jahr einige Menschen mehr erreichen können, welche sich bisher nicht in eines unserer Konzerte gewagt haben. Wir kommen stetig mit kleinen Schritten vorwärts.

Sie haben Ihr Budget erwähnt. Wie finanziert sich das Festival?

Vornehmlich durch die öffentliche Hand, sprich die Kulturförderung des Kantons Bern und die Gemeinden in der Region. Dann folgen die Sponsoren und Partner und nicht zuletzt die Kulturstiftungen. Wir konnten mittlerweile einige lokale Unternehmungen gewinnen. Auch wenn sie keine grossen Fans der klassischen Musik sind: Sie anerkennen den Gedanken der Nachwuchsförderung, mit dem sie auch aus dem Sport vertraut sind. Bedeutungsvoll ist der Verein «Swiss Chamber Music Festival», der einen grossen Beitrag leistet. Die Eintritte machen einen eher geringen Teil des Budgets aus.

Sarah Willis lud die Schulen Adelboden zu einem Schulkonzert ein. Erzählen Sie uns etwas zum Auftritt der «Sarahbanda».

Es war grossartig, wie die 200 Kinder auf die Musik von Sarah Willis und ihrer «Bande» eingingen. Sie durften die Schlaginstrumente ausprobieren und tanzten teils ausgelassen zu den Rhythmen. Es war wohl das beste der Schulkonzerte, die wir in den letzten 14 Jahren durchführten.

Wie wichtig ist die Bühne im Dorfzentrum?

Die Auftritte beleben den Dorfplatz, und wir tragen etwas zur Attraktivität des Dorfes bei. Die Amuse-Bouches und die Gespräche mit den MusikerInnen locken bis zu 80 Interessierte an. Die Bühne kostet uns einiges, aber wir möchten daran festhalten, weil wir durch sie auch immer wieder KonzertbesucherInnen dazugewinnen.

Wie hat das neue Format «Dine & Music» im Hotel Blausee Anklang gefunden? Führen Sie es weiter?

Ich fand das «Dine & Music» im Hotel Blausee wunderschön. Der Entscheid, das Konzert in der Kirche in Kandersteg wegen mangelnder lokaler Unterstützung zu ersetzen, war richtig. Das Team vom Hotel Blausee unterstützte uns hervorragend. Ich hoffe, dass künftig vermehrt Besuchende die Verbindung von kulinarischem Genuss und einem musikalischen Erlebnis nutzen werden. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass solche Formate mehrere Jahre Anlaufzeit und damit eine gewisse Standhaftigkeit erfordern.

INTERVIEW: RETO KOLLER.

«Ich erlebe immer wieder kleine Wunder»

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