Eine Branche im Aufwind
18.03.2025 TourismusDie Logiernächtezahlen waren in den letzten Jahren so hoch wie nie. Auch im Frutigland lässt sich ein klarer Aufwärtstrend erkennen – ausser in einer Gemeinde. Der «Frutigländer» hat die Zahlen seit 2014 ausgewertet.
BIANCA HÜSING
Die Hotellerie ist im Aufwind: Seit dem Ende der Corona-Pandemie konnte die Branche nicht nur wieder an alte Zeiten anknüpfen, sondern auch zwei neue Rekorde aufstellen: 2024 wurden schweizweit 42,8 Millionen Logiernächte registriert und damit noch einmal rund 2,6 Prozent mehr als im bisherigen Spitzenjahr 2023. Einen grossen Anteil daran hatten Gäste aus den USA, die gemäss Schweiz Tourismus (ST) an das hierzulande herrschende Preisniveau gewöhnt sind. Der starke Franken vermochte die Schweiz-Lust der US-Amerikaner jedenfalls nicht zu dämpfen. Sie bilden nach Deutschland die zweitwichtigste Gästekategorie, während sich die Zahl der Inlandstouristen auf einem hohen Niveau einpendelt.
In einem Interview mit dem Branchenmagazin «htr» rät ST-Direktor Martin Nydegger indes davon ab, die zwei Rekordjahre überzubewerten. Erstens sagten blosse Logiernächtezahlen wenig über Profitabilität aus, zweitens sei das Wachstum gemessen an jenem anderer Branchen gering.
Gegensätzliche Trends in Reichenbach und Aeschi
Die Logiernächtezahlen des Bundesamts für Statistik sind auch deshalb beschränkt aussagekräftig, weil sie Campingplätze, Gruppenunterkünfte und Ferienwohnungen ausser Acht lassen. Die Übernachtungen in der sogenannten Parahotellerie werden zwar separat erhoben, allerdings nicht gleichermassen detailliert. Und das aus gutem Grund: Mit rund 15 Millionen Übernachtungen im Jahr 2024 ist die Parahotellerie trotz wachsender Beliebtheit längst nicht so bedeutend für den Schweizer Tourismus wie die klassische Hotellerie.
Wer sich für Logiernächte in einzelnen Regionen oder Gemeinden interessiert, muss sich deshalb vorerst mit den Zahlen aus der Hotellerie begnügen. Diese eignen sich durchaus, um gewisse Entwicklungen festzustellen. Blickt man beispielsweise auf die letzten zehn Jahre (siehe Grafik ganz oben rechts), so zeichnet sich für Adelboden ein leichter Aufwärtstrend ab. Kam die Gemeinde 2014 noch auf rund 185 000 Logiernächte, bewegen sich die Zahlen seit drei Jahren stets über der 200 000er-Marke. Entgegen dem schweizweiten Trend hat Adelboden 2024 allerdings keinen neuen Rekord aufgestellt. Gegenüber dem Spitzenjahr 2023 (rund 220 000 Logiernächte) verzeichnet die hiesige Hotellerie einen Rückgang um 7,7 Prozent.
In Kandersteg geht’s – abgesehen von einem Taucher im Corona-Jahr 2020 – seit 2018 kontinuierlich aufwärts. Gegenüber 2023 haben die Logiernächtezahlen noch einmal um 2,4 Prozent zugelegt, im Vergleich zu 2014 beträgt der Anstieg sogar knapp 30 Prozent.
Noch markanter ist das Wachstum in Reichenbach. Hier wurden 2024 rund 45 Prozent mehr Hotelübernachtungen registriert als vor zehn Jahren. Seit 2017 knackt die Gemeinde stets die 30 000er-Marke (ausgenommen 2020), im Jahr 2022 kam sie sogar auf über 40 000 Logiernächte. Gegenüber diesem Spitzenwert verzeichnete Reichenbach allerdings im 2024 einen Rückgang um 6,7 Prozent.
Aeschi ist die einzige der vier aufgeführten Frutigländer Gemeinden, in der die Zahlen seit 2014 tendenziell abnehmen. 2014 kam die Ortschaft auf über 39 000 Logiernächte, 2024 waren es nur noch knapp 25 000. Damit bewegt sich Aeschi quasi entgegengesetzt zu Reichenbach. Das könnte mit dem sinkenden Hotelangebot im Ort zu tun haben. 2014 standen in Aeschi 118 Zimmer zur Verfügung, 2024 waren es nur noch 82. Weil aber auch in den anderen Gemeinden (mit Ausnahme Adelbodens) die Zimmerzahl abgenommen hat, greift diese Erklärung zu kurz. Vielleicht gewinnt die Parahotellerie in Aeschi stärker an Bedeutung als anderswo – oder die Konkurrenz anderer Sommerdestinationen ist mittlerweile grösser.
Dreieinhalb Sommerdestinationen
Nebst Aeschi sind auch Reichenbach und Kandersteg in den warmen Monaten besonders gut besucht (siehe dazu die Quartalsgrafiken auf dieser Seite). Selbst Adelboden ist längst keine reine Winterdestination mehr: Seit 2019 ist das dritte Quartal (Juli bis September) hier fast so stark wie das erste (Januar bis März) – teilweise sogar stärker. Die bisherigen Nebensaisons spielen in Adelboden zweifellos eine untergeordnete Rolle, was man von den übrigen Gemeinden nicht behaupten kann. In Kandersteg wird der Frühling langsam wichtiger als der Winter, in Reichenbach und Aeschi war er das schon immer. Entsprechend deutlich macht sich hier die Corona-Flaute im März / April 2020 bemerkbar, in Adelboden dagegen weniger.
Interessant ist wiederum ein Blick nach Aeschi. Hier haben sich die Frühlings-Übernachtungszahlen 2024 gegenüber dem Vorjahr fast halbiert, während sie in Reichenbach und Kandersteg gestiegen sind. Im Gegenzug hatte Aeschi 2023 überproportional zugelegt, sowohl im Frühling als auch im Sommer.
Wie die einzelnen Destinationen ihre Entwicklungen wahrnehmen und begründen, wird sich an den Haupversammlungen der jeweiligen Tourismusorganisationen zeigen. Die «HV-Saison» hat gerade begonnen.
Die Datengrundlage
Die Grafiken auf dieser Seite wurden vom «Frutigländer» erstellt. Als Grundlage dienten die offiziellen Logiernächtezahlen des Bundesamts für Statistik (BFS), die allerdings nur für vier der sieben Frutigländer Gemeinden erfasst werden. Die Zahlen beziehen sich lediglich auf die klassische Hotellerie. Für andere Beherbergungsformen wie Ferienwohnungen oder Campingplätze gibt es nur gesamtschweizerische Zahlen.
HÜS