Ein neuer Rekord für Chrigel Maurer

  20.06.2023 Sport

GLEITSCHIRM Bei der 20. Austragung des Red Bull X-Alps 2023 setzte der Frutiger Chrigel Maurer erneut Massstäbe. Zum einen gewann er das internationale Gleitschirmrennen zum achten Mal. Zum anderen absolvierte er die gut 1200 Kilometer lange Gesamtstrecke in einer neuen Bestzeit. Patrick von Känel landete nach hartem Kampf auf dem 5. Platz, Sepp Inniger jubelte über seinen 12. Rang.

MICHAEL SCHINNERLING
Nach sechs Tagen, sechs Stunden und einer Minute kam Maurer am Samstagabend in Zell am See an. Es war die schnellste Zeit, die je beim Red Bull X-Alps gemessen wurde. Dabei ist die Strecke über die Jahre deutlich länger geworden. Im Jahr 2013 war die Luftlinie von Salzburg zum Mittelmeer «nur» 1031 Kilometer lang. Schon damals brach Maurer mit der Zeit von 6 Tagen, 23 Stunden und 40 Minuten alle Rekorde. Umso erstaunlicher ist seine aktuelle Leistung.

Hartnäckige Konkurrenten
Wer das Rennen online verfolgte, weiss: Es war sehr eng an der Spitze. Maurer hatte hartnäckige Konkurrenten. Immer wieder wechselte er die Führung mit den beiden Franzosen Maxime Pinot und Damien Lacaze sowie dem Ungarn Pál Takáts. Bis zum Turnpoint 13, dem Cima Tosa in Trentino, Italien, hielt sich Maurer zurück und agierte taktisch kontrolliert. Den Turnpoint Drei Zinnen (Dolomiten) erreichte er dann via Klettersteig – genau in der Zeit, die er sich vorgestellt hatte. Da war für den Favoriten der Zeitpunkt gekommen, das Heft in die Hand zu nehmen. «Das war mein Moment, ab da griff ich an», erzählt Maurer nach dem Rennen. «Es windete stark, und genau darin liegt meine Stärke beim Fliegen.» Die diesjährige X-Alps-Ausgabe sei hart gewesen. «Von Beginn an wurde von den anderen gepusht und ich konnte nicht immer mithalten. Im entscheidenden Moment drehte ich jedoch das Rennen zu meinen Gunsten.»

Das Ziel vor Augen
Als Maurers Team (Lars Meerstetter und Sebastian Weber) auf dem letzten Turnpoint Schmittenhöhe stand, genossen alle den Moment und die besondere Stimmung. Danach flog Maurer hinunter nach Zell am See und landete auf dem Zielfloss, wo er von seiner Familie, Kollegen und Freunden mit Glocken und Schweizerfahnen bereits erwartet wurde. Das Erste, was dann kam, war ein Bad im See. Später ass der achtfache X-Alps-Sieger im Hotel und ging dann, erschöpft vom Rennen, früh schlafen.

Von den vielen Fans überrascht
«Ich bedanke mich bei den Organisatoren des Frutigresorts für den Turnpoint in der Heimat», blickt Maurer auf die letzten Tage zurück. «Ich wollte diesen Turnpoint als Erster durchlaufen – und war dann überrascht, dass schon am frühen Morgen 400 Leute dort warteten.» Das sei ein emotionaler Moment gewesen – bei Maurer flossen an jenem Morgen Tränen der Rührung. «Ich wäre gerne länger geblieben und hätte mit allen geredet, was leider nicht möglich war», kommentiert er den kurzen Stopp in Frutigen. «Was mich jedoch unterwegs antrieb, waren die vielen lieben Worte. Das war eine zusätzliche Motivation für mich.»

Das Niveau steigt, an der Spitze wirds enger
Die Flugbedingungen seien dieses Mal optimal gewesen, resümiert der Frutiger Patrick von Känel. «Wenn man sich ein Wetter hätte wünschen können, es wäre wohl fast kein besseres möglich gewesen.» Weil auch die Konkurrenz durch gute Piloten mittlerweile grösser sei, habe es an der Spitze sehr viele Wechsel gegeben. Er selbst finde diese Entwicklung «cool»: Der Kampf um die besten Plätze sei interessant gewesen.

Wie eng es auf den Plätzen 2 bis 5 zuging, liess sich via Livetracker verfolgen. Immer wieder rückte von Känel auf den zweiten Rang vor, um dann wieder von einem der Konkurrenten aus Frankreich, Ungarn oder Österreich überholt zu werden. Phasenweise hatten sämtliche Piloten der Spitzengruppe dieselbe Entfernung zum nächsten Turnpoint – ein Beleg dafür, wie ebenbürtig diese Teilnehmer waren.

Dass das Niveau steige und die Spitze breiter werde, freue ihn, so von Känel. Dass er selbst vorne mithalten konnte, liege vor allem an der Vorbereitung und am intensiven Training, aber auch das eingespielte Team trage dazu bei. «Ohne ein solches Team wäre die Teilnahme am Rennen gar nicht möglich», betont von Känel. Der X-Alps-Wettbewerb sei zwar ein Einzelwettkampf – «aber natürlich ist man dabei auf andere angewiesen». Gerade diese Mischung fasziniere ihn. «Ich bin froh, dass wir alle ohne Konflikte im Ziel ankamen und ich das Rennen auf diese Weise beenden und in Zell am See noch ein bisschen feiern konnte.»

«Dort erwartet mich etwas Grosses»
Nach der Landung am Ziel hielt es von Känel wie Michael Maurer: Er ass noch etwas, um dann bald schlafen zu gehen und sich von den Strapazen zu erholen.

Er habe sich extrem gefreut, bei seinen Zwischenstopps im Frutigland so viele Leute zu sehen, erzählt von Känel. «Als ich von Kandersteg Richtung Frutigen flog, war es eine emotionale Achterbahn. Ich ahnte: Dort erwartet mich etwas Grosses.» Er sei in dem Moment unglaublich nervös gewesen. «Ich bin sehr dankbar über diese Resonanz. Der einzige Wermutstropfen war, dass wir so wenig Zeit hatten, weil wir ja gleich weitermussten.»

So lange am Boden wie in der Luft
«Es war extrem hart», fasst Sepp Inniger seine X-Alps-Teilnahme zusammen. «Wir sind stundenlang geflogen, was enorme Konzentration verlangte. Zum Glück hatte ich mit Hanes Kämpf, André Glauser, Reto von Allmen und Maria Künzi gute Supporter, die rund um die Uhr für mich da waren.» Das Laufen stellte für Inniger kein Problem dar – obwohl er ebenso lange auf den Beinen war wie in der Luft (Laufen machte 49,8 Stunden aus, Fliegen 47,8 Stunden).

«Es ist das grosse Verdienst des Teams, dass wir den 12. Rang geholt haben», betont Inniger die gemeinsame Leistung. Fünf Jahre lang hat er sich vorbereitet und ist nun stolz auf sich und die Teamleistung. «Wir haben das nicht als Rennen gegen andere gesehen, sondern als Rennen für uns selbst.»

Nach 7 Tagen und 21 Stunden kam Inniger auf dem Floss in Zell am See an. «Wir haben uns noch mit anderen Piloten ausgetauscht und dann zuerst einmal unseren Camper aufgeräumt und geputzt», erzählt der Frutiger lachend. Im Rückblick war auch für ihn der Turnpoint in Frutigen etwas ganz Besonderes. «Dieser Tag wird unvergesslich bleiben, die grosse Menge an Leuten ... das war der schönste Turnpoint für uns. Und 45 Minuten später war ich schon auf dem Niesen, um zu unterschreiben. Das war ein Traumtag für uns.»


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