Ein Abend mit viel «Merci»
10.12.2024 Reichenbach, KientalDie Sachgeschäfte der Gemeindeversammlung waren letzten Donnerstag schnell erledigt. Gegenstimmen kassierte ausgerechnet der unscheinbarste Antrag. Im «Verschiedenen» wurden mehrere Gemeinderäte, der Obmann und der Gemeindepräsident verabschiedet – allerdings nicht im Rahmen eines offiziellen Aktes.
BIANCA HÜSING
An diesem Abend vollzog sich im Kirchgemeindehaus ein symbolischer Generationenwechsel: Die zwei jüngsten unter den frisch gewählten Gemeinderäten sassen in der ersten Reihe und verfolgten das Geschehen ein letztes Mal aus der Publikumsperspektive. In wenigen Monaten werden sie es sein, die dort oben auf der Bühne Anträge vertreten und Fragen beantworten. Passenderweise ergriff Timo Trachsel (FDP) als Erster das Wort im «Verschiedenen», um seinen Vorgängern «im Namen der Bevölkerung ein grosses Merci» auszusprechen. Mithilfe einer kurzen Leinwandpräsentation zählte er die abtretenden Gemeinderäte und ihre Amtsdauer sowie den Gemeindepräsidenten Peter Teuscher auf – angefangen freilich beim Dienstältesten Hans Ulrich Mürner, der die Gemeinde seit 2013 als Obmann anführte.
Auf das anderswo übliche Prozedere mit feierlicher Ansprache und Abschiedsgeschenken wurde heuer verzichtet. Erst nach kleinen Diskussionen um verschiedene Bürgeranliegen ergriff Mürner selbst kurz das Wort, um sich bei seinen Ratskollegen, den Kommissionen und der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit zu bedanken. Auch an die neuen und wiedergewählten Gemeinderäte wandte er sich: «Ich wünsche euch einen guten Start und sage ‹Toi, toi, toi›. Mit eurer Hilfe wird die Gemeinde sicher auch die nächsten vier Jahre gut über die Runden kommen.»
Zweifel nur beim Treuhänderwechsel
Dass die Gemeinde «gut über die Runden» kommt, zeigte sich in den letzten Jahren immer wieder an den positiven Haushaltsabschlüssen. Doch sowohl Gemeinderat Toni Imsand als auch Finanzverwalterin Nadja Fahrni betonten mehrmals, dass die aktuelle Lage keine Steuersenkung rechtfertige – auch wenn gemäss Imsand durchaus «gewisse Begehrlichkeiten» dieser Art geäussert worden seien. Die Gemeinde habe knapp 10 Millionen Franken Schulden, und 80 Prozent ihrer Ausgaben seien gebunden. Dass die Rechnungen zuletzt so viel besser abschlossen als budgetiert, hänge zum einen mit den Steuerprognosen des Kantons zusammen, die sich stets aufs Vorjahr bezögen. Zum anderen seien noch nicht alle geplanten Investitionen getätigt worden. Vor diesem Hintergrund und wegen des einmal mehr negativ prognostizierten Haushalts beantragte der Gemeinderat die Annahme des Budgets bei gleichbleibenden Steuersätzen.
Die 75 anwesenden StimmbürgerInnen folgten ihm grossmehrheitlich und nahmen später auch die Teilrevision des Organisationsreglements an. Künftig wird sich der Gemeinderat anstelle der Baukommission um Baupolizeifälle kümmern. Dieser Zuständigkeitswechsel blieb völlig unbestritten – im Gegensatz zum Wechsel der Revisionsstelle. Dass die Gemeinde das Angebot der ROD AG aus Urtenen annehmen und jenes der ECO AG aus Frutigen ausschlagen möchte, stiess teilweise auf Unverständnis. Eine Bürgerin zweifelte, dass die ROD ihre günstige Offerte werde einhalten können und plädierte generell dafür, einheimische Firmen zu bevorzugen. Obmann Mürner betonte indes, dass die Gemeinde das günstigste Angebot annehmen müsse und er der erfahrenen ROD AG zutraue, die Kosten realistisch abschätzen zu können. Am Ende ging der Antrag mit immerhin zwölf Gegenstimmen und vier Enthaltungen durch.
«Sind wir noch wer?»
Wie in Reichenbach üblich, nutzte die Versammlung das «Verschiedene» für Fragen und Anliegen aller Art. Ein Bürger erkundigte sich nach dem Steinschlagschutzprojekt in Reudlen, das seit einiger Zeit stillstehe. Der zuständige Gemeinderat Hans Rudolf Lehmann klärte auf, dass man wegen der nassen Witterung tatsächlich einen Baustopp habe einlegen müssen. Die Schutznetze im Wald seien termingerecht fertiggestellt worden, an den Dämmen werde man im nächsten Jahr weiterarbeiten.
Über den Stellenwert der Bäuert Faltschen sorgte sich ein anderer Bürger. Obwohl der Ortsteil wachse, habe er noch immer keinen ÖV-Anschluss. Auch die Strasse lasse zu wünschen übrig. «Sind wir noch wer?», fragte der Votant provokant, um dann von Peter Teuscher zu hören: «Ihr seid sicher öpper!» Der künftige Obmann Martin Gerber, seines Zeichens selbst Faltschener, antwortete schmunzelnd: «Faltschen ist wichtig und der schönste Ort der Gemeinde.» Gleichwohl werde es vorerst keine Postautoverbindung dorthin geben, da eine solche «Unmengen an Geld» kosten und zu wenig genutzt würde. Das habe die zuständige Kommission bereits prüfen lassen. Ein Strassenprojekt sei dagegen in den nächsten Jahren zu erwarten. «Da wird etwas passieren», versprach Gerber.
Bevor Peter Teuscher die nicht besonders lange, aber durchaus lebendige Versammlung schloss und zum Apéro einlud, bedankte auch er sich bei Verwaltung und Behörde für die Zusammenarbeit. Besonders lobte er die diesjährigen GemeinderatskandidatInnen, die den Reichenbachern eine richtige Wahl beschert hätten.