Die neuen «Reichenbacherli»

  12.12.2023 Frutigen

KULINARIK Luxemburgerli kennt fast jeder – die Bezeichnung Macarons ist dagegen noch nicht so geläufig. Doch das soll sich nun ändern: Eine Frutigländer Bäckerei hat das luftige Gebäck neu im Angebot.

MARK POLLMEIER
Vier Orte werden in diesem Artikel eine Rolle spielen: Paris, Luxemburg, Zürich und – Reichenbach. Beginnen wir mit Frankreich. Im Jahr 1862 eröffnete Louis Ladurée im 8. Arrondissement von Paris eine Feinbäckerei. Das Quartier ringsum begann sich gerade zu einem Nobelviertel zu entwickeln, und nobel war auch jene Spezialität, mit der die Feinbäckerei Ladurée später weltbekannt wurde: die Macarons.

Von Arabien nach Frankreich
Macaron – was très français tönt, hat seinen Ursprung eigentlich im Orient. Im Arabischen versteht man unter maccaruni einfach Lebensmittel aus Getreidemehl. Als die Araber vor einigen Jahrhunderten über die Insel Sizilien herrschten, brachten sie die maccaruni nach Europa. Vor allem im Gebiet des heutigen Italiens wurde der Begriff heimisch. Dort bezeichnet er nicht nur eine Pastasorte, die berühmten Maccheroni, sondern auch ein süsses (Mandel-)Gebäck. In Venedig stand das Wort macarone seit dem 11. Jahrhundert für feine Backwaren. Und von Venedig aus war es dann nicht mehr weit bis nach Frankreich …

In der Feinbäckerei Ladurée bestanden die Ur-Macarons aus zwei Baiserdeckeln mit einer Schokoladencreme dazwischen, und auch wenn die Kreationen mit der Zeit bunter und vielfältiger wurden, hat sich dieses Ursprungsrezept bis heute gehalten.

Von Frankreich nach Luxemburg nach Zürich
Mitte des 20. Jahrhunderts lernte der junge luxemburgische Zuckerbäcker Camille Studer die Macarons kennen. Als er 1957 nach Zürich ging und dort bei der Confiserie Sprüngli anheuerte, brachte er das Rezept in die Schweiz mit. Mit seinem Baisergebäck sorgte Camille Studer bei einem firmeninternen Backwettbewerb für Aufsehen – und bescherte seinem Arbeitgeber ein neues Produkt: Die Macarons wurden ins Programm der Confiserie Sprüngli aufgenommen.

Von seinen Schweizer Kollegen wurde der erst 23-jährige Studer nur «Luxemburgerli» genannt, und so ging dieser Name bald auf das neue Feingebäck über. Fortan hiessen die Zürcher Macarons schlicht: Luxemburgerli. Obwohl Sprüngli einen anderen Namen vorgesehen hatte (angeblich Baiser de Mousse), setzte sich die Bezeichnung in der Deutschschweiz durch.
Heute sind Name, Form und Proportionen des Gebäcks markenrechtlich geschützt, ebenso das Design der Verpackung und das Logo. Das heisst: Luxemburgerli verkaufen darf nur die Confiserie Sprüngli.

Macarons aus Reichenbach
Seit dem 1. Dezember hat die Bäckerei Rubin in Reichenbach selbst hergestellte Macarons im Angebot. Dass sie dort nicht Luxemburgerli heissen, hat aber keinen markenrechtlichen Hintergrund – Bäcker André Rubin ist von seinen französischen Macarons einfach überzeugt.

Damit sie perfekt gelingen, betreibt er einigen Aufwand. Die Liste der Zutaten ist lang, Mandeln finden sich darauf ebenso wie feinstes Vanillepulver, Fleur de Sel oder Himbeerpüree. Beim Mischen dieser Rohstoffe ist Präzision gefragt. In Rubins Rezepten stehen Angaben wie «17,42 g Wasser.» Das sei auch für ihn neu gewesen, gesteht der Bäcker. Nachkommastellen spielten in seiner Backstube bisher keine Rolle. «Ich habe mir extra eine neue Waage angeschafft.»

Doch nicht nur das genaue Gewicht ist entscheidend. Für die Deckel der Macarons muss die eine Hälfte des Eiweisses aus dem Kühlschrank kommen, die andere Hälfte Raumtemperatur haben. «Nur so erreiche ich beim Schlagen die gewünschte Konsistenz», erklärt André Rubin. Der Zuckersirup, den er im richtigen Moment unter die Eiweissmasse mischt, muss zuvor auf exakt 118 Grad erhitzt werden.
Auch das Backen ist keine einfache Angelegenheit. Grösse und Dicke der Macaron-Deckel sind entscheidend, und bevor sie in den Ofen kommen, müssen sie zunächst eine halbe Stunde ruhen, «damit sie eine Haut bilden können», wie André Rubin erläutert.

Wenn alles gelingt, kommt ein Gebäck aus dem Ofen, das weich und knusprig zugleich ist. Die Füllung, die am Ende zwischen die beiden Deckel kommt, besteht aus einer klassischen Ganache, also einer mit Rahm hergestellten Schokoladencreme.

Für knapp 100 Macarons ist André Rubin fünf Stunden beschäftigt, verteilt über drei Tage. Ist das süsse Mandelgebäck fertig, hält es sich gut gekühlt bis zu einer Woche. Rubin empfiehlt, die kleinen Köstlichkeiten möglichst frisch zu geniessen. «20 Minuten zuvor aus dem Kühlschrank nehmen, damit sich das Aroma optimal entfalten kann», so sein Tipp.

Ein Kurs beim «Weltkonditor»
Wer sich mit Rubin über das neue Produkt unterhält, merkt schnell: Hier hat einer Feuer gefangen. Zu dieser Begeisterung beigetragen hat der Zofinger Patissier David Schmid, der 2021 als erster Schweizer zum «Weltkonditor des Jahres» gewählt wurde. «Bei ihm habe ich einen Kurs gemacht», berichtet André Rubin. «Unter seiner Anleitung durfte ich zusammen mit anderen Bäckern und Konditoren Macarons herstellen.» Als Rubin von der Fortbildung heimfuhr, sagte er sich: «Das bietet bei uns noch niemand an, das mache ich!»

Die Macarons aus Reichenbach kämen gut an, erzählt er. Erst kürzlich habe jemand 600 Exemplare bestellt. Mit dem Pariser Macarons-Bäcker kann der Reichenbacher damit noch nicht mithalten: Allein in seinen vier Pariser Patisserien verkauft Ladurée jährlich mehr als vier Millionen Stück. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.


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