Der Bundesrat packt den Rasenmäher aus

  16.02.2024 Politik

Das Jahr 2023 schloss der Bund mit einem Finanzierungsdefizit von 1,4 Milliarden Franken ab. Doch das Minus war keine einmalige Sache – vielmehr habe man ein strukturelles Finanzdefizit, warnte Finanzministerin Karin Keller-Sutter am Mittwoch vor den Medien. Ein flächendeckendes Sparprogramm soll nun die Verschuldung verlangsamen. Doch schon gibt es Widerstand.

MARK POLLMEIER
Stand heute werden im Haushalt des Bundes ab 2027 drei bis vier Milliarden Franken pro Jahr fehlen – eine erhebliche Finanzierungslücke. Um sie zu schliessen, sollen nun alle Departemente flächendeckend sparen. Gegenüber dem Finanzplan 2025 – 2027 sollen die schwach gebundenen Ausgaben um 1,4 Prozent gesenkt werden. (Etwa zwei Drittel der Ausgaben des Bundes sind gebunden und können kaum beeinflusst werden.) Nur um das VBS soll der Spar-Rasenmäher einen Bogen machen. Das Departement von Viola Amherd hat geltend gemacht, schon jetzt unterfinanziert zu sein. Bei weiteren Kürzungen könne die Verteidigungsfähigkeit des Landes ab 2030 nicht mehr gewährleistet werden.

Die Armee kommt also vorerst ungeschoren davon. Viele andere Bereiche dagegen müssen den Gürtel enger schnallen. Schwach gebundene Ausgaben fallen in der Bildungspolitik an, bei der Entwicklungshilfe, in der Kulturförderung – und in der Landwirtschaft. Deren Vertreter reagierten umgehend: Noch am Mittwochabend verschickte der Schweizer Bauernverband (SBV) eine Medienmitteilung. Der Titel: «Keine Kürzung bei der Landwirtschaft!» Der SBV werde sich – wie bereits beim Budget 2024 – mit allen Mitteln gegen die geplanten Einsparungen wehren.

Wandfluh: «Falsche Schlüsse»
Auch der Kandergrunder Nationalrat Ernst Wandfluh (SVP) meldete sich noch am Mittwoch zu Wort, und zwar in seiner Funktion als Präsident des Vereins Alpwirtschaft Bern. Der Entscheid des Bundesrats sei in Anbetracht der noch stärker unter Druck geratenen Versorgungssicherheit – mit Krieg in Osteuropa und im Nahen Osten – unverständlich, schrieb Wandfluh. «Mit Erstaunen nehmen wir zur Kenntnis, dass der Bundesrat aus den Entwicklungen im nahen Ausland mit den massiven Bauernprotesten aufgrund unüberlegter Entscheide der Politik nicht die richtigen Schlüsse zieht.» Die Schuldenbremse des Bundes müsse eingehalten werden, daran bestehe kein Zweifel, «damit wir künftige Generationen nicht vollkommen ausbremsen.» Doch die jetzigen Pläne des Bundesrats, in der Landwirtschaft zu sparen, müssten unbedingt durch das Parlament korrigiert werden.

Fragt sich, wie diese Korrektur aussehen könnte. Schon mit den nun veröffentlichten Massnahmen wäre die Einhaltung der Schuldenbremse eine Punktlandung – und auch nur dank kreativer Buchführung. Bei der Hilfe für die Ukraine-Flüchtlinge sollen über eine Milliarde Franken weiterhin als «ausserordentliche Ausgabe» verbucht werden, die nicht dem regulären Budget zugerechnet werden. Ohne diesen Kniff hätte man diese Summe andernorts einsparen müssen.

Die zwei Kostentreiber des Bundes
In den nächsten Wochen und Monaten wird das grosse Feilschen um die Sparmassnahmen beginnen. Keiner der betroffenen Bereiche wird Einschnitte ohne Weiteres akzeptieren. Beispiel Bildung: Schon vor einigen Tagen hat ETH-Präsident Joël Mesot via Medien ausrichten lassen, bei seiner Hochschule 50 oder mehr Millionen Franken zu streichen, sei nicht möglich. Und selbstverständlich kann auch Mesot gute Gründe dafür benennen.

Dabei werden die jetzigen Kürzungsmassnahmen vermutlich nur der Anfang sein. Auf den Bund kommen in den nächsten Jahren zwei grosse Kostentreiber zu: Die AHV und die Armee. Die Kosten der AHV wachsen quasi von selbst, dafür sorgt der demografische Wandel. Die Armeeausgaben dagegen hat die Politik selbst aufgestockt: Unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs wurden sie auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöht. Gegenfinanziert sind diese Ausgaben nicht, weil die Einnahmen des Bundes nicht im gleichen Masse wachsen werden. Und da der Bundesrat Steuererhöhungen ausschliesst, bleibt nur eine Option: Sparen.

Die Vorschläge dazu liegen nun auf dem Tisch. Ob es dabei bleibt, wird das Parlament in den Budgetberatungen im kommenden Dezember entscheiden.


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