«Blüemlisalp» statt «BeO»?
20.06.2023 GesellschaftMEDIEN Seit dem Beginn des Lokalradio-Zeitalters 1987 ist Radio BeO der unbestrittene Platzhirsch im Berner Oberland. Nun macht ihm der Thuner Weber-Verlag diese Rolle streitig.
TONI KOLLER
Wer eine Radio- oder Fernsehstation betreiben will, benötigt dafür eine Sendeerlaubnis (Konzession) des Bundes – zumindest so lange, wie die knappen UKW-Frequenzen noch verteilt werden müssen. Und vor allem: Privatsender mit Konzession im ländlichen Gebiet haben – wenn sie in genügendem Mass über regionale Themen berichten – Anrecht auf einen Zuschuss aus dem Serafe-Gebührentopf. Für das Versorgungsgebiet Berner Oberland sind dies jährlich rund zwei Millionen Franken, was den Betriebsaufwand von Radio BeO zu einem erheblichen Teil finanziert.
Die entsprechend begehrten Konzessionen werden vom Bundesamt für Kommunikation BAKOM periodisch neu zugeteilt; soeben ist die Ausschreibung für die Zehnjahresphase 2025 bis 2034 angelaufen.
Kulturprogramm aus Gwatt
Während sich die Radio Berner Oberland AG – mit Studio in Interlaken – um eine Erneuerung der langjährigen Konzession für Radio BeO bewirbt, erwächst ihr nun ernsthafte Konkurrenz aus Thun-Gwatt: Von seinem dortigen Sitz aus möchte der Weber Verlag künftig «Radio Blüemlisalp» ausstrahlen. «Mit über 30 Jahren Erfahrung in der Verlagsbranche und einer soliden finanziellen Basis sind wir in der Lage, ein neues Radio für das ganze Berner Oberland eigenständig auf die Beine zu stellen», lässt das Unternehmen wissen. Mit seinem Buch- und Zeitschriftenangebot verfüge der Verlag über ein «dichtes Netzwerk von rund achtzig Autorinnen und Autoren, Publizisten und Künstlerinnen aus dem Berner Oberland». Dies wolle man nutzen, um ein Radioprogramm unter dem Leitbild «Mehr Kultur – mehr Oberland» zu realisieren. Verlagsinhaberin Annette Weber: «Wir wollen zum Beispiel eigene Hörspiele produzieren und die Oberländer Dialekte vermehrt zur Geltung bringen – in einem öffentlich zugänglichen Radiostudio, in dem kulturelle Veranstaltungen und Begegnungen möglich sind.» Auch mit den Werbetreibenden, der wichtigsten Einnahmequelle, sei der Verlag gut vernetzt.
BeO betont seinen Leistungsausweis
Radio BeO seinerseits unterstreicht im Konzessionsgesuch seine «tief verwurzelte regionale Verbundenheit, langjährige Erfahrung und journalistische Unabhängigkeit». Die von der aktuellen Konzession geforderten täglichen 30 Minuten an regionaler Information würden deutlich übertroffen; BeO leiste den «service public régional» erwiesenermassen bestens. Die dazu nötige Infrastruktur mit Personal und Technik müsste der Weber Verlag erst einmal errichten – «das wäre doch eine ziemliche Herausforderung», sagt Heinz Suter, Vizepräsident des BeO-Verwaltungsrats, der sich erstaunt zeigt über den Mut des Mitbewerbers. «Aber klar: Mit Konkurrenz mussten wir immer rechnen.» Und wenn Radio BeO die Konzession verlieren würde – käme ein Weitermachen ohne die Gebührengelder infrage? «Dazu haben wir noch keinen Plan B, aber es würde zweifellos schwierig», meint Heinz Suter.
Der Ball liegt beim Bund
Wer das Berner Oberland ab 2025 mit Regionalradiosendungen beglücken wird, entscheidet das BAKOM – und damit letztlich das Departement UVEK unter Bundesrat Albert Rösti. Laut BA-KOM-Sprecher Francis Meier werden die Dossiers dabei «von null auf» beurteilt, einen «Bisherigen-Bonus» gebe es nicht. Bei Gleichstand in allen Punkten sei der Grad der redaktionellen Unabhängigkeit das Schlüsselkriterium. Eine Konzessionsvergabe an beide Bewerber sei unwahrscheinlich: Die Serafe-Gebührengelder für das Berner Oberland würden nicht auf zwei Sender aufgeteilt. Und wenn sich zwei Sender gegenseitig die Werbeeinnahmen abjagten, wäre dies ihrer jeweiligen finanziellen Basis – und damit ihrer Qualität – erst recht nicht zuträglich.
Der Bund fällt seine Konzessionsentscheide gegen Ende dieses Jahres. Bis dahin ist in Gwatt und Interlaken mit steigender Spannung zu rechnen.