UNFREIWILLIGER TRIP

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen am Ufer des Thunersees und lassen einen Wurm baden, sind also auf der Jagd nach dem Nachtessen. Und plötzlich blubbert Ihnen eine Forelle freundlich zu: «Ey, Alter, hast du was dabei?» Natürlich ist ein Fisch auf dem Trip ein schlechter Witz – und doch ein bisschen Realität, zumindest in schwedischen Gewässern. Es ist seit längerem bekannt, dass Medikamente, die wir Menschen schlucken, irgendwann den Weg in die Flüsse und Seen finden.
In einer neuen Studie und in realen Tests wurde nun beobachtet, dass Lachse, die mit Spuren eines oft verschriebenen Wirkstoffs gegen Angststörungen versorgt wurden, ebenfalls ein verändertes Verhalten zeigen. Sie werden mutiger, riskieren eher ihr Leben, überwinden Dämme und Kraftwerkpassagen schneller als «ungedopte» Tiere und verlassen den Schwarm, der vor Fressfeinden schützt. Man könnte meinen, sie seien auf der Suche nach der nächsten Party.
Die Medikamente, die wir schlucken, sind so gestaltet, dass sie im menschlichen Körper wirken. Doch in der Natur wirken sie auf die Tierwelt wie ein Zaubertrank – aber nicht wie ein guter. Man könnte meinen, die Lachse seien auf dem ultimativen «Fisch-Trip». Vielleicht starten sie bald eine Party mit Discokugeln aus Algen und einer Playlist aus Wassergeräuschen. Oder sie organisieren nächtliche Treffen, bei denen sie sich fragen: «Warum sind unsere Bewegungen so komisch? Und wer hat dieses komische Zeug ins Wasser gekippt? Wo krieg ich das her?»
Natürlich liest sich das in einer Kolumne amüsant – ist aber ernst. Denn die Auswirkungen auf die Fischpopulationen und das Ökosystem sind nicht zu unterschätzen. Unsere Medikamente gehören weder ins Wasser noch in die Fische. Das Rausfiltern der verschiedenen Wirkstoffe – getestet wurde an den knapp 300 Lachsen in Schweden nur einer! – ist aufwendig. Die Fische landen schliesslich wieder auf unserem Teller und in unserem Magen. Genauso unfreiwillig wie die Fische werden wir so mit einer uns unbekannten Chemiemischung zwangstherapiert. Und das ist eigentlich gar nicht amüsant.

HANS RUDOLF SCHNEIDER

H.SCHNEIDER@FRUTIGLAENDER.CH

Unfreiwilliiger Trip

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