Frühlingspunkt

Es würde sich anbieten, in einer Weltraum-Kolumne etwas über die Pläne der Trump-Regierung für die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA zu schreiben oder über die irren Vorhaben von DOGE-Vorsteher Musk. Die Raumfahrt erlebt gerade ungewisse Zeiten. Fast täglich erreichen uns Meldungen aus den USA. Gross wäre also das Risiko, dass meine Kolumne am Erscheinungstag bereits überholt ist. Ich will Ihnen daher etwas erzählen, was wissenschaftlich handfest ist und länger Bestand hat als die erratischen News aus Washington. Das länger Bestand hat als wir alle.

Zum ersten Tag des anbrechenden Frühlings möchte ich Ihnen denjenigen Himmelskörper näherbringen, der uns Licht und Wärme bringt: die Sonne. Gemäss der astronomischen Definition beginnt der Frühling auf der Nordhalbkugel, sobald die Sonne zum ersten Mal genau senkrecht über dem Erdäquator steht – im sogenannten Frühlingspunkt. Es ist die erste Tag-und-Nacht-Gleiche des Jahres. In den nächsten drei Monaten «wandert» die Sonne von uns aus gesehen immer höher gegen Norden und beschert uns immer längere Tage. Der Zyklus der Jahreszeiten.

Auch die Sonne selbst hat einen Zyklus. Ihre Aktivität folgt einem ungefähr elfjährigen Rhythmus, in dem unser Zentralgestirn zuerst sehr aktiv wird, bevor es sich wieder beruhigt. Je nach Zyklusphase schleudert die Sonne mehr oder weniger Strahlung und Sonnenpartikel in den Weltraum und in Richtung Erde. Gerade befindet sie sich in einer Zeit maximaler Aktivität, also im Höhepunkt ihres Zyklus. Eindrücklich waren in den letzten Monaten die Sichtungen von Nordlichtern sogar über der Schweiz. Diese sind auf besonders heftige Sonnenstürme zurückzuführen.

Die periodisch gesteigerte Sonnenaktivität kommt unter anderem daher, dass sich die magnetischen Pole der Sonne innerhalb von elf Jahren umdrehen. Der Nordpol wird zum Südpol und umgekehrt. Wieso das geschieht, ist nicht vollends geklärt. Wir wissen aber, dass durch diesen Rollentausch der Pole sehr viel Energie frei wird. Das kann zu gewaltigen Explosionen, zu Sonneneruptionen, führen. Innerhalb weniger Minuten erhitzt sich das Sonnenmaterial auf viele Millionen Grad. Dieses Plasma wird wegkatapultiert, begleitet von intensiver Gamma-, Röntgen- und Ultraviolettstrahlung. Ein Strahlungsjet jagt durch den interplanetaren Raum und kann die Erde in weniger als zehn Minuten erreichen. Dort wirkt er sich direkt auf die obere Erdatmosphäre aus. Es wird infolgedessen jedoch nicht wärmer auf der Erde und Sie müssen nicht mehr Sonnencreme auftragen als sonst. Unser Magnetfeld und die Erdatmosphäre schützen uns vor der meisten Strahlung. Aber Sonnenstürme mit vielen hochenergetischen Sonnenteilchen können das Erdmagnetfeld zusammenstauchen und so Strom- und Kommunikationsnetze stören.

Deshalb ist es wichtig, diese Sonneneruptionen zu beobachten. Die Sonnenforschung und die Untersuchung des sogenannten Weltraumwetters hat an Bedeutung gewonnen. Die Raumsonde «Solar Orbiter» der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird in den nächsten Jahren den Nord- und Südpol der Sonne beobachten – Orte, die von der Erde aus nicht zu sehen sind (wir schauen «seitlich» auf die Sonne). Im Falle einer starken Eruption würde die ESA die Nationale Alarmzentrale und diese wiederum die Schweizer Infrastrukturbetreiberinnen wie etwa die SBB oder die Swisscom informieren.

VALERIE KOLLER

VALERIE.KOLLER@BLUEWIN.CH

Wenn Sie sich eine Sonneneruption mal in einer Nahaufnahme anschauen möchten, finden Sie unter tinyurl.com/sonne2025 ein eindrückliches Video, das Solar Orbiter aufgenommen hat.

KOLUMNE – DORT OBEN UND HIER UNTEN

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title