Über den Wolken

sitze im Flugzeug nach Hause. Die Tage im Ausland – Ehrenamt lässt grüssen – waren intensiv, der Flieger ist ziemlich voll, der Motor brummt. Ich lasse die zwei Tage Revue passieren: Was habe ich gesehen, welche Aufgaben konnten wir erledigen, was wird mir bleiben von der Reise nach Sofia?
Bleiben wird mir die Begegnung mit einer jungen Bulgarin, die sich dafür einsetzt, dass in Sofia eine Stadtführung angeboten wird, die sich auf Frauen konzentriert. Im Kommunismus waren Frauen denselben Pflichten unterworfen wie Männer. Tausende von Frauen sind im Militäreinsatz gestorben, Soldatinnen und Kommandantinnen. Wo sind die Strassen, die nach ihnen benannt werden, wo sind ihre Denkmäler?
In Erinnerung bleiben mir auch die hübschen gelben Trams, die in der Stadt kursieren, moderne und uralte Trams mit hohen Schwellen zum Einsteigen. Ich erinnere mich an die Erzählung von der Frau ohne Beine, die jeweils ihren Rollstuhl zusammenlege, wenn sie aufs Tram warte, und wenn das Tram ankomme, sich und ihren Rollstuhl von Fremden reintragen lasse. Modern ist dagegen das Zahlungssystem der Trams – für die Schweiz wäre das ein Riesenfortschritt.
Ebenfalls im Gedächtnis bleiben mir die zahlreichen Diskussionen über Demokratie, Lobbying und darüber, wie man aus der Geschichte lernen kann, damit sich Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen. Beeindruckt davon, wie stark die aktuelle Generation junger Frauen in Bulgarien ihre Meinung und ihre Rechte vertritt, gehe ich in den Sinkflug und lande in der Schweiz – wohl wissend, dass die Strassen in Sofia fast so sauber sind wie hierzulande und dass auch hier noch Aufholbedarf besteht in Bezug auf die Rechte der Frauen und den Zugang für Menschen im Rollstuhl. Und eine Lektion Demokratie täte uns aktuell allen gut.

MYRIAM HEIDELBERGER

HEIDELMANN@IKMAIL.COM

RANDNOTIZ - Über den Wolken

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