Amtlich gesund

Raucherinnen und Raucher, aufgepasst! Bald hat es sich ausgepafft!– zumindest in Mailand. Dort soll demnächst in der ganzen Öffentlichkeit das Rauchen verboten sein, wenn sich im Umkreis von zehn Metern noch jemand anderes aufhält. Hm – was aber, wenn diese andere Person ebenfalls raucht? Oder wenn es der nichtrauchende Begleiter der Raucherin ist, der ihr den Tabak gerne gönnt? Man sieht: So ein Gesetz steckt voller Fragwürdigkeiten; durchsetzbar ist es kaum, solange keine Schwärme von Polizisten mit Metermass durch die Strassen patrouillieren.

Die Mailänder Behörde begründet das Verbot vorab mit dem Kampf um saubere Luft. Dass der Rauch der noch verbliebenen Tabakfreunde für volle sieben Prozent der Luftverschmutzung verantwortlich sein soll, scheint mir allerdings ziemlich hoch gegriffen. Weil (mindestens) 93 Prozent davon aus dem überbordenden motorisierten Verkehr, aus Öl- und Gasheizungen sowie aus Industriekaminen stammen, fehlt der Drangsalierung von Rauchenden überdies die Verhältnismässigkeit.

Bleibt der Aspekt der Volksgesundheit. Dieser ist das Rauchen natürlich nicht zuträglich. Aber bitte: Alte Filmaufnahmen lassen immer wieder staunen, wie noch vor 30 oder 40 Jahren fast jeder und jede, draussen oder drinnen, schier permanent einen Glimmstängel schwang – nicht selten waren’s starke Gitanes und Gauloises ohne Filter. Der Qualm jener Zeit müsste massenhaft Leute dahingerafft haben! Doch war das wirklich so? Betrachten wir ein Hauptrisiko: Die Anzahl Lungenkrebs-Neuerkrankungen in der Schweiz lag zwischen 1992 und 1996 bei jährlich 3200 Fällen. 25 Jahre später (2017 bis 2021) waren es rund 4900 Fälle! – 50 Prozent mehr, wobei die Bevölkerung nur um 20 Prozent zugenommen hat (Quellen: Bundesamt für Statistik). Lungenkrebs ist also heute viel verbreiteter als damals, obschon längst Innenraum-Rauchverbote gelten und weniger Leute rauchen. Was sagt uns das über den allgegenwärtigen Tabak-Alarmismus, bis hin zum angestrebten Totalverbot in gewissen Ländern?

Einen ähnlichen Hype erlebt zurzeit ein anderes Sucht- bzw. Genussmittel: der A lkohol. Dieser erzeuge Krebs, droht die Weltgesundheitsorganisation WHO; jeder Schluck Alkohol sei einer zu viel – was sensationsfreudige Medien nur zu gerne breitschlagen. Trotz wenig eindeutiger Studienlage: Der hier massgebliche wissenschaftliche WHO-Berater steht anscheinend einem Abstinenzlerbund nahe und wirkt vielleicht entsprechend selektiv. Aber gut, nehmen wir den Hinweis auf alkoholbedingte Krebsgefahr mal besser ernst.

Anderseits bescheinigen längst zahllose seriöse Studien den Polyphenolen des roten Weins (Antioxidantien) eine positive Wirkung auf Kreislauf und Gefässe. Dies wird auch von der WHO kaum bestritten!– aber in der aktuellen Kampagne schlicht unterschlagen.

In Anbetracht dieser Umstände liegt die Abwägung bei uns: Verzichten wir auf jeglichen Alkohol, um ein neuerdings entdecktes Krebsrisiko zu vermeiden – oder pflegen wir massvollen Weingenuss und tun damit immerhin unseren Adern etwas Gutes? Das ist der Punkt: Eine wahrhaft offene, freiheitliche Gesellschaft überlässt die Wahl, wo immer möglich, dem informierten Individuum, statt es mit unnützen Verboten und überdrehten Warnungen zu gängeln.

TONI KOLLER

TONI_KOLLER@BLUEWIN.CH

Offenlegung der Interessenlage des Autors: Ja, ich bin Raucher. Und ja, ich liebe Wein. Nun können Sie prüfen, inwiefern dies den Wahrheitsgehalt dieser Kolumne schmälert.

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