PLÖTZLICH IST EIN KIND ZUHAUSE

Ich liebe Digitalisierung! E-Banking und Self-Checkout-Kassen ersparen Eigenbrötlern wie mir die soziale Interaktion, Portemonnaies schleppe ich seit Jahren nicht mehr mit mir herum. Smarte Glühbirnen schützen mein Zuhause vor Einbrechern, und wenn ich mein Handy verlegt habe, frage ich es einfach selbst, wo es steckt. Kurzum: Meine technische Aufgeschlossenheit erleichtert mir den Alltag sehr.
Diesmal bin ich aber zu weit gegangen! Noch halb im Covid-Delirium habe ich den neusten Saug- und Wischroboter bestellt, der sogar meine hohen Altbautürschwellen überwinden können soll. Anscheinend bin ich aber nicht die einzige Altbaubewohnerin der Welt: Fünf Wochen musste ich auf das überall vergriffene Teil warten, bis es am Mittwoch endlich bei mir eingezogen ist. Doch das vermeintliche Helferlein entpuppt sich als hilfloses Kleinkind: Während es orientierungslos umherkrabbelt, bleibt es alle naselang stecken und will hochgehoben werden. Manchmal hinterlässt es unwillkürlich eine Pfütze. Dieselbe Schwelle, die es auf dem Hinweg noch in einem Ruck erklommen hat, ist auf dem Rückweg plötzlich der Mount Everest. Ehrenwort: So viel Zeit und Nerven hat mich das Wischen noch nie gekostet! Der kleine Racker braucht mehr Betreuung als mein nicht vorhandenes Haustier (mit dem ich übrigens dank einer Kamera am Wischroboter telefonieren könnte). Die Wohnung verlassen, um Wichtigeres zu erledigen? Undenkbar!
Was ist da bloss schief gelaufen? Wenn ich mir die Bewertungen im Netz so ansehe, kann es am Gerät nicht liegen. Nein, ich bin das Problem. KI ist schliesslich immer nur so intelligent wie ihre Nutzer – und ich bin zweifellos der Dümmste Anzunehmende User (DAU). Ich beschliesse also, mich zusammen mit meinem Roboter weiterzuentwickeln. Ich lerne, die richtigen Befehle zu geben, und er lernt, sie auszuführen. Nach vier Stunden und zahllosen Rettungsaktionen haben wir eine halbwegs brauchbare Karte meiner Wohnung erstellt (nein, sie ist kein Putinscher Palast). Wenn das in dem Tempo weitergeht, kann er nächsten Monat vielleicht einen Raum ohne meine Hilfe saugen. Falls nicht, schraube ich meine smarten Glühbirnen ab und hoffe auf Einbrecher.

BIANCA HÜSING

B.HUESING@FRUTIGLAENDER.CH

SCHLUSSPUNKT - Plötzlich ist ein Kind zuhause

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