Wird Bares bald Rares?

Nur mit Kreditkarte und einem Zehnernötli – fürs Trinkgeld – in der hinteren Hosentasche ausgerüstet, machten sich meine Frau und ich zu Fuss auf den Weg zum kürzlich wiedereröffneten Dorfrestaurant «Bergli». Gemütliches Ambiente dank geschmackvollem Interieur, herzliche Begrüssung durch den neuen Gastgeber, freundliche Bedienung, eine vielseitige und dennoch nicht überladene Speise- und Getränkekarte. Das Essen war ausgezeichnet, der süditalienische Primitivo hervorragend. Die Rebstöcke würden in unmittelbarer Nähe der Adria gedeihen, wie uns die Servicefachangestellte stolz erklärte und uns zum Bestellen einer ganzen Flasche verführte. Tutto paletti? Als es um die Rechnung ging und ich meine Zahlungsmittel hervorklaubte, musste die junge Frau etwas verlegen gestehen, dass es bei ihnen zurzeit nur in bar oder mit Twint funktioniere: Der Kredit- und Bankkartenleser sei eben noch nicht in Betrieb. Mein Mobiltelefon lag daheim auf der Kommode – so blieb mir nichts anderes übrig, als mich schnurstracks auf den Weg nach Hause zu machen und es zu holen.

Der «Misere» Vorschub geleistet hatten auch die Geldautomatenräuber. In unserem Dorf – direkt neben dem «Bergli» – wurde der Bancomat ihretwegen kürzlich ausgebaut. Fast gleichzeitig hob die Post ihre Filiale im einzigen Laden – mit Möglichkeit zum Geldbezug – auf. Wer hier noch Bares braucht, findet die nächsten Quellen in der Post und den Banken im sechs Kilometer entfernten Nachbarort. Der gelbe Riese residiert hier seit der Sprengung des Postomats und der Verwüstung seines Lokals im März in einem temporären Container …

Die Chauffeure der Luzerner Verkehrsbetriebe VBL verkaufen ab kommendem Fahrplanwechsel Mitte Dezember keine Billette mehr gegen Bares. Im Bus können Fahrausweise nur noch mit kontaktlosen Zahlungsmitteln (Debit- und Kreditkarten, Twint, Smartphone) gelöst werden. Begründet wird dieser Entscheid unter anderem damit, dass bar zahlen viel Zeit koste und der verspätungsanfällige Fahrplan beim Bargeldverkauf weiter verzögert werde. Die Massnahme helfe, die Buskurse zu beschleunigen.

Lange, sehr lange waren Bahnhöfe und Bahnstationen ein sicherer, wenn auch nicht immer ganz sauberer Wert fürs kleine oder grosse Geschäft. Früher kostenlos, später konnte man sich den Zugang zur Toilette mit Münzen verschaffen. Nun öffnet sich in grossen Bahnhöfen das Drehkreuz am Zugang zum stillen Örtchen nur noch per Plastikkarte oder mit einer Mehrfachkarte, die im nebenstehenden Automaten noch mit Bargeld erstanden werden kann.

An Marktständen – sei’s für Gemüse, Käse oder Blumen, Handwerkliches und Geschenke – und in Hofläden tauchen immer mehr meist handgeschriebene Notizen auf, die fürs Bezahlen mit Plastikkarte oder Twint werben. Auch das mag seine Gründe haben: am Märit kein Hervorklauben von Münz und Errechnen des Rückgeldes. Im Hof wegen des Klaus des Kässelis oder auch des mangelnden Kleingeldes des Käufers oder der Käuferin, um den genauen Betrag zu begleichen.

Erste Frage: Was, wenn ich keinen Empfang habe, um mit dem Handy über Twint den Kauf zu bezahlen? Zweite Frage: Was, wenn das World Wide Web einen Aussetzer hat? Soll ja vorkommen, wie gelegentliche Pannen bei Postomaten und SBB-Billettautomaten beweisen. Man muss nicht unbedingt auf seine Goldvreneli zu Hause zurückgreifen, aber ein, zwei Nötli und es bitzeli Münz im Sack bleiben wohl auf lange Zeit noch die zuverlässigste Lösung. Oder?

KURT METZ

MAIL@KURTMETZ.CH

KOLUMNE – PUNKTLANDUNG

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