Schenken und beschenkt werden

Jedes Jahr stehe ich vor der gleichen Herausforderung: Die Geburtstage der Liebsten stehen an, und ich habe keine Ahnung, was ich ihnen schenken soll. Bald ist meine Mama an der Reihe. Ich frage mich, wie ich ihr eine Freude machen kann. Von einem Fotoalbum bis hin zu einem selbst gemachten Adventskalender habe ich schon alles durch. Meine Mama hat sich über jedes Geschenk gefreut, doch irgendwie werden meine Ideen von Jahr zu Jahr anspruchsvoller. Dabei habe ich weder angefangen, Geld zu verdienen, um ihr etwas Ausgefallenes zu kaufen, noch einen intensiven Holzschnitzkurs besucht, um ihr eine selbst hergestellte Figur zu schenken.

Früher hatte ich dieses Dilemma nicht. Eine kleine Zeichnung aus dem Kindergarten war genug und brachte meine Mama zum Strahlen. Noch heute würde sie sich darüber freuen und sich die Zeichnung in ihrem Büro aufhängen. Doch nun möchte ich ihr etwas anderes schenken – etwas Besonderes, etwas, was sie nicht erwartet und was vielleicht nicht mehr dieselbe Kindlichkeit trägt, aber dennoch von Herzen kommt und ihr zeigt, wie viel sie mir bedeutet. Denn abseits der Geschenke gibt es so viele Dinge, die ich an meiner Mama schätze:

Als ich das allererste Mal ins Geräteturnen ging, war sie da. Als ich eine Hauptrolle im Schultheater spielte, war sie da. Als ich meine Bänder riss und zu Hause bleiben musste, war sie da. Selbst als ich in Chemie eine 2,2 zurückbekam und am liebsten im Boden versinken wollte, war sie da. Egal, was war – sie war immer da. Das ist das grösste Geschenk, das sie mir machen konnte: ihre bedingungslose Unterstützung. Sie hat nie gefragt, was sie dafür bekommt, und doch hat sie mir in jeder Situation ihre Liebe gegeben. Deshalb möchte ich ihr etwas zurückschenken und ihr diese Kolumne als Geburtstagsgeschenk widmen. Da diese «Frutigländer»-Ausgabe erst kurz nach ihrem Geburtstag erscheint, überreiche ich ihr an ihrem Festtag einen Gutschein: einen Gutschein, die Ausgabe vom dritten Dezember zu lesen, mit einer Tasse Tee in der Hand und einer Packung ihrer Lieblingskekse, Basler Läckerli.

Apropos Gutscheine: Ich erinnere mich noch daran, wie ich meiner Mama mit neun Jahren einen Gutschein schenkte, der ihr versprach, dass ich das ganze Haus aufräumen und putzen würde. Bis heute hat sie den Gutschein nicht eingelöst, da dieser auf unbekannte Weise verschollen ist. Doch wenn sie ihn eines Tages einlösen möchte, werde ich mein Versprechen natürlich halten – auch wenn es viel Arbeit bedeutet. Denn bei Geschenken geht es nicht nur um die Geste. Vielmehr geht es darum, zu zeigen, dass man bereit ist, sie einzulösen.

Und genau das will ich mit dieser Kolumne auch tun: Meiner Mama ein Geschenk machen und ihr zeigen, wie wichtig sie für mich ist. @mama: Danke, dass du immer für mich da bist!

SARAH WNUK

SARAHWNUK@GMX.CH

KOLUMNE – DIE WELT UND ICH

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