Kommunikation ist nicht alles …

Überfüllte Züge, kaum freie Sitze – aber viele Fahrgäste meinen trotzdem, sie müssten mindestens zwei Plätze beanspruchen für sich und ihr Gepäck. Verzweifelte Zugbegleiter bitten Passagiere über den Lautsprecher, Sitze doch bitte freizugeben. Widerwillig – oder gar nicht – reagieren die Betroffenen. Was wäre die Lösung? Gepäck auf dem Nebensitz reist mit zum halben Preis!?! Das wäre eine doppelt wirksame Kampagne: Mehr Komfort für die Reisenden und mehr Einnahmen für den öV. Bloss: Wie lässt sich das sympathisch kommunizieren und effizient durchsetzen?

•
Seit einiger Zeit gibt es in vielen Bahnhöfen bei den Destinationsbildschirmen auf den Perrons auch Wagenstandsanzeiger. Diese informieren mit 1 – 3 Symbolmännchen über die Auslastung des Zuges – also von wenigen Passagieren bis hin zu sehr vielen Reisenden pro Waggon. Die Information wäre für alle leicht verständlich. Dennoch: Wie Lemminge scharen sich die Wartenden in der Mitte des erwarteten Zugs. Das Gerangel an den Türen und um freie Plätze ist vorhersehbar. Dabei liesse es sich an den Zugsenden locker und entspannt einsteigen zur quasi freien Platzwahl! Allerdings muss man mittlerweile eine gewisse Sportlichkeit an den Tag legen, besonders bei Kopfbahnhöfen. Die neusten Züge sind zu Stosszeiten bis zu 400 Meter lang, sind also länger als eine Schiessplatzdistanz! Wehe, wenn man beispielsweise in Zürich mit Zielrichtung Luzern am falschen Ende, also hinten, einsteigt und dann einen Bus mit knappem Anschluss auf dem Bahnhofplatz erwischen will. Da sind dann Turnschuhe, Sprintvermögen, Ausdauer und Ellbogen gefragt!

•
Lautsprecherdurchsagen vor der Einfahrt in grösseren Bahnhöfen wie Bern zur Weiterfahrt des Zugs hören sich oft an wie eine Tour de Suisse: Freiburg, Romont, Palézieux, Lausanne, Morges, Nyon, Genf, Genf-Flughafen – und das Ganze dann noch en français und in English. Noch schlimmer ist der kommunikative Overkill kurz vor Zürich HB: Da kommen zu den schweizerischen Destinationen von Basel bis St. Margrethen und Schaffhausen bis Chiasso noch der TGV nach Paris, der ICE nach Frankfurt und der Eurocity nach München dazu. Bis die Litanei vorüber ist, habe ich mein Anschlussgleis längst vergessen. Gut, dass es in neuen Zugkompositionen bei den Ein- und Ausgängen Bildschirme mit Anschlussinformationen gibt.

•
Viele Aussentüren von Bahnwagen sind mit einem Kinderwagen-Symbol versehen. Dahinter verbergen sich entweder grosszügige Stauräume, oder es lassen sich im ersten Abteil nach der Eingangstür in den Fahrgastraum Sitze hochklappen. So finden das Gefährt und die Begleitperson(en) gemeinsam Platz. Das ist auch so markiert – was aber nicht zwingend von allen Passagieren zur Kenntnis genommen wird und Mütter (oder Väter) dazu zwingt, auf ihren Anspruch auf das für sie vorgesehene Coupé zu verweisen. Damit kommen sie allerdings nicht immer gut an …

•
Welche Lösungen gibt es für diese kommunikativen Herausforderungen? Spontan kommen mir die Kundenlenkerinnen und Kundenlenker in den Sinn, die beispielsweise hilflosen Passagieren mit Fragezeichen im Gesicht weiterhelfen und die das Perron entlang gute Stimmung machen für eine bessere Verteilung der Wartenden. Statt «Ufschliesse, bitte!» wie im Bus hiesse es dann eben: «Vorrücke, bitte!» Mobilitätseingeschränkten Personen mit viel Gepäck oder solchen mit Kinderwagen könnten sie beim Einsteigen helfen. Dadurch liesse sich am richtigen Ort zur richtigen Zeit einiges an Frustration bei Reisenden und dem fahrenden Personal vermindern oder gar verhindern. Also: Investieren in direkte, zwischenmenschliche Kommunikation statt in noch mehr Technik und Elektronik!

Und wie geht der Titel dieser Kolumne weiter? Hier die Auflösung: ... aber ohne Kommunikation ist alles nichts!

KURT METZ

MAIL@KURTMETZ.CH

PUNKTLANDUNG - Kommunikation ist nicht alles …

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title