Vom Vegetarier zum Veganer

  17.01.2020 Frutigen, Gesellschaft

Während Vegetarier und Veganer früher als Randgruppe galten, hat sich der Verzicht auf Fleisch oder tierische Produkte allgemein mittlerweile zu einem weltweit verbreiteten Trend entwickelt. In der Schweiz ernähren sich etwa 14 Prozent der Bevölkerung vegetarisch oder vegan – unter ihnen auch ein Jugendlicher aus dem Frutigland.

Der 14-jährige Luca Centis aus Wengi hat sich der vegetarischen Lebensweise verschrieben. Seit mehreren Jahren verzichtet der 9.-Klässler auf Fleisch und Fisch, sowie auf alle Produkte, die tierisches Lab enthalten. Zudem meidet er Gelatine, welche ja bekanntlich aus Haut und Knochen von Tieren gewonnen wird. Man kann sich vorstellen, dass Luca seine Essgewohnheiten nicht von einem Tag auf den anderen umstellen konnte. Angefangen hat alles im Jahr 2012, mit dem Entscheid, kein Fleisch mehr zu konsumieren. In den darauffolgenden Jahren wurden ausserdem Produkte mit tierischem Lab sowie Gelatine von Lucas Ernährungsplan gestrichen.

Eine Umstellung, die hohe Aufmerksamkeit erfordert: «Manche wissen es nicht, aber oft werden Fruchtsäfte oder auch Essig mit Gelatine geklärt, damit sie nicht trüb werden», erklärt der Schüler. Entscheidungen wie der Verzicht auf Gelatine mögen in den Augen von Aussenstehenden vielleicht nicht allzu bedeutend wirken. Für Luca sind sie allerdings stetige Schritte in Richtung seines eigentlichen Ziels. Der Schüler möchte irgendwann von seiner vegetarischen Ernährung auf eine vegane Lebensweise umstellen. Konkret hiesse das, dass er von da an auf sämtliche tierische Produkte verzichten würde: Beispielsweise Honig, Eier und Leder wären dann nicht mehr Teil seines Lebens. Bereits jetzt gleicht Lucas Ernährungsstil stark dem eines Veganers. Ganz kann er den Veganismus allerdings zurzeit noch nicht ausleben. Denn veganes Kochen ist mit hohem Aufwand verbunden, gerade in einer Familie, in welcher lediglich ein Teil komplett auf tierische Produkte verzichtet. Nebst dem «normalen» Essen noch ein veganes Menü auf den Tisch zu zaubern, kann nämlich auf Dauer ganz schön anstrengend werden. «Spätestens, wenn ich irgendwann ausgezogen bin, wird mir der Schritt aber gelingen», sagt der sympathische 14-Jährige.

13-mal weniger Wasserverbrauch
Warum sich Luca für den Verzicht auf tierische Produkte entschieden hat, basiert auf klaren Gründen. «Anfangs verzichtete ich vor allem, weil es mir leidtat, dass so viele Tiere sterben müssen.» Dass der Schüler seinen Teil zur Verringerung von Massentierhaltung und Tierleid beitragen will, ist eines von vielen Argumenten, mit welchen er seine Überzeugung begründet. Seine eigene Gesundheit sowie auch die Umwelt waren ausschlaggebend für Lucas Entscheidung. Anhand eines eindrücklichen Beispiels verdeutlicht er, wie sich eine pflanzliche Ernährung positiv auf die Umwelt auswirken kann. «Für die Produktion von Rindfleisch wird über 13-Mal so viel Wasser benötigt, wie für die gleiche Menge an Hülsenfrüchten», führt der gut informierte 9.-Klässler aus.

Dass Luca über das Thema Veganismus bestens Bescheid weiss, wird schnell deutlich. Angeeignet hat er sich sein breites Wissen grösstenteils mit Hilfe des Internets. Aus eigenem Interesse, wie er betont. Nebst Umwelt und Tieren will Luca aber auch seiner eigenen Gesundheit etwas Gutes tun. Dabei betont er, dass eine pflanzliche Ernährungsweise nicht automatisch gesund sei und es hierbei so einiges zu beachten gebe. «Man sollte sich ausgewogen, abwechslungsreich und saisonal ernähren», erzählt Luca. Wer sich diesen Rat zu Herzen nimmt, kann mit einer veganen Ernährung durchaus punkten. Durch den Verzicht auf tierische Produkte kann diversen Krankheiten entgegengewirkt werden. So sind Veganer erwiesenermassen seltener von Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen als Fleischesser. Trotz seiner eigenen, klaren Überzeugung ist der junge Vegetarier aber sehr tolerant. Auch Menschen gegenüber, welche in Sachen Ernährung eine andere Meinung vertreten als er. «Jeder sollte selbst entscheiden können, was er essen will», findet Luca. «Empfehlen würde ich den Veganismus aber schon», fügt er kurz darauf schmunzelnd hinzu.

Veganismus will gelernt sein
Wer sich vegan ernährt, wird sich zweifellos mit einigen Herausforderungen konfrontiert sehen. So kann beispielsweise ein gemeinsames Essen bei Bekannten plötzlich zu einer unangenehmen Situation werden. Solche Momente kennt Luca nur allzu gut. Vor allem anfangs, als einige Leute aus seinem Umfeld noch nicht wussten, dass er auf eine vegetarische Ernährung umgestellt hat. Damals kam es hin und wieder zu unangenehmen Momenten an fremden Esstischen. Mittlerweile hat sich dies allerdings eingependelt, Lucas Umfeld ist sich seinem Ernährungsstil bewusst. Eine Sache, die dem Veganismus immer wieder nachgesagt wird, ist der scheinbar notwendige Einsatz von gewissen Nahrungsergänzungen, sogenannten Supplementen. Das Risiko auf Mangelerscheinungen besteht tatsächlich. Luca ist sich diesem jedoch sehr wohl bewusst. Der Spitzenreiter unter den zu ergänzenden Stoffen ist das Vitamin B12. Dabei handelt es sich um ein Vitamin, welches der menschliche Organismus nicht selbständig produzieren kann, sondern über tierische Produkte aufnehmen muss. Um möglichen Mangelerscheinungen entgegenzuwirken, lässt Luca seinen Vitamin B12-Speicher regelmässig überprüfen. Die Bluttests zeigen: Bis jetzt fehlt es seinem Körper an nichts.

Fleischlos im Frutigland?
Dass Luca in einer ländlichen Gegend wie Wengi bei Frutigen aufgewachsen ist, sieht er nicht als Nachteil für seine Lebensweise. Abgesehen von seiner kleinen Schwester gibt es in der Umgebung zwar kaum Gleichgesinnte, eine vegane Ernährungsweise ist aber durchaus möglich. Auch wenn das Sortiment an veganen Produkten hierzulande nicht riesig ist, findet Luca fast alles, was er an Lebensmitteln so braucht. Dass er sich mit Produkten aus grösseren Warenhäusern eindecken muss, kommt trotzdem vereinzelt vor. Meist lässt sich dies allerdings mit anderen Besorgungen in der Stadt verbinden. Was das Essen in lokalen Restaurants betrifft, hat Luca positive Erfahrungen gemacht. Dass er kein vegetarisches Menü bekommen hat, ist selten vorgekommen. «Zumindest Salat gibt es fast überall», meint er lachend.

Was es auch fast überall gibt, sind Gegner der veganen Lebensweise. Der 14-Jährige hat aber erstaunlicherweise noch keine richtig schlechten Erfahrungen gemacht. Im Gegenteil: Dass sich Luca vegetarisch ernährt, geht nicht spurlos an seinen Mitmenschen vorbei. So kam es, dass beispielswiese jemand aus seinem Freundeskreis entschieden hat, auf Fleisch zu verzichten. Doch auch wenn sein Umfeld sich grösstenteils verständnisvoll zeigt, kann es vorkommen, dass hin und wieder ein böser Spruch auf Kosten von Veganern fällt. Wie man damit umgeht, weiss Luca aber gut. «Ich nehme es mit Humor», meint er schulterzuckend. Sich in einer ländlichen Gegend wie dem Frutigland vegan zu ernähren, ist vielleicht eher selten. Möglich ist es aber durchaus! Luca zeigt, dass Veganismus auch auf dem Land funktioniert. Bis heute bereut er seinen Entscheid nämlich in keinster Weise. «Ich bin sehr zufrieden damit!» Eins steht für Luca fest: Seinen Weg bis hin zu einer ganz und gar veganen Lebensweise will er auf jeden Fall gehen.

ANNA BRÜGGER


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