EIN TICK ANDERS

Ja, ich gebe es zu – ich habe einen Tick, oder etwas schöner ausgedrückt, einen sogenannten «Spleen». Dabei handelt es sich um eine Angewohnheit, die man selbst zwar wahrnimmt, gegen aussen jedoch nicht erklären kann. Bei mir ist es das Geräusch des Staubsaugers. Wenn ich mich konzentrieren muss, beispielsweise bei der Arbeit, so hilft es mir, dem sanften Pfeifen des Saugmotors zu lauschen. Natürlich kann ich nicht einen Staubsauger mitten in die «Frutigländer»-Redaktion stellen. Es gibt jedoch mehrminütige Tonaufnahmen, die ich, wenn nötig, über meine Kopfhörer abspiele.
Laut Wikipedia wird der Begriff «Spleen» oft im Zusammenhang mit Exzentrikern verwendet. Das sind Personen, die von der sozialen Norm abweichen. Die Andersartigkeit von Exzentrikern wurde früher denn auch in der europäischen Medizin auf eine Fehlfunktion der Milz (griechisch splen) zurückgeführt, daher der Ausdruck «Spleen». Ich bin jedoch davon überzeugt, dass jeder seinen eigenen Tick hat. Einigen gelingt es einfach, diesen zu unterdrücken. Doch was wäre, wenn er sich nutzen liesse? Natürlich höre ich nicht den ganzen Tag hindurch Staubsauger-Tonbänder. Wenn ich mich aber gezielt auf etwas konzentrieren und daran arbeiten möchte, hilft mir das monotone Geräusch im Hintergrund enorm.
Man sieht: Wie bereits am Anfang erwähnt, lässt sich eine Marotte einfach nicht logisch erklären. Aber ich kann sie nutzen, und das ist doch die Hauptsache. Am Ende reicht ja vielleicht bereits der Glaube an den Tick. Das wäre mir jedenfalls egal, solange ich einen Vorteil daraus spüre.
Sollte es Ihnen ähnlich gehen wie mir, dann keine Panik. Viele erfolgreiche Persönlichkeiten sind für ihre Schrullen bekannt. Friedrich Schiller hatte beispielsweise eine erstaunliche Marotte: Er brauchte beim Schreiben den Duft verfaulter Äpfel, wie sein Freund Goethe verriet – so schnell geht es, und schon stehe ich auf derselben Ebene mit einem der bedeutendsten deutschen Dramatiker, Lyriker und Essayisten, welch eine Ehre!
Exzentriker hin oder her, meiner Milz geht es jedenfalls gut, und ich konnte diesen Text unter extremer Konzentration schreiben. Nun raten Sie mal, wieso?

BENJAMIN HOCHULI

B.HOCHULI@FRUTIGLAENDER.CH

SCHLUSSPUNKT

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