Eine Herausforderung der anderen Art

  30.04.2024 Sport

BERGSPORT Gleitschirmprofi Chrigel Maurer plant fürs Pausenjahr des X-Alps ein neues Projekt: Zwischen der Premiere «seines» Dok-Films und dem Heim-Weltcup in Grindelwald will er sich dem Bergsteigen widmen – nach wie vor mit Gleitschirm. Doch wie es Maurers Art ist, gibt er sich natürlich nicht mit ein paar Wande touren zufrieden ...

MARIA STEINMAYR
«Ich bin eigentlich nicht so der Bergsteiger», beginnt Chrigel Maurer die Erklärung zu seinem neuen Projekt «XPeaks» – schwer zu glauben, wenn man sich die Eckdaten seines Vorhabens anschaut. Maurer plant nichts weniger als die Besteigung aller 4000er der Alpen, das sind 82 Gipfel. Unterstützung von aussen ist nicht erlaubt, das bedeutet: kein Auto und keine Gondelbahn, die Fortbewegung erfolgt ausschliesslich zu Fuss und mit dem Gleitschirm. Ziel ist es, nach 72 Tagen wieder zurück am Ausgangsort Frutigen zu sein.

Filmpremiere in Adelboden
Dass Maurer ein Ausnahmekönner ist, bewies er bereits mehrmals. Allein das prestigeträchtige Rennen Red Bull X-Alps gewann er acht Mal, nächstes Jahr würde er gerne einen weiteren Sieg anhängen.

Bereits mit neun Jahren hob Maurer zum ersten Mal ab, seither fühlt er sich in der Luft zu Hause. Neben den sportlichen Erfolgen prägte er als Testpilot die Weiterentwicklung des Gleitschirmsports. Der 41-Jährige balanciert zwischen Extremsport und Familienleben und es scheint, als habe er einen Weg gefunden, beides unter einen Hut zu bekommen. Dabei ist sicher hilfreich, dass die Faszination des Gleitschirmfliegens bereits die dritte Generation der Familie Maurer in ihren Bann zieht. Nicht nur Maurers Vater, auch seine Söhne leben dieselbe Leidenschaft. Der neue Dokumentarfilm, der diesen Donnerstag in Adelboden Premiere feiern wird, begleitet Maurer deswegen nicht nur als Sportler, sondern gewährt auch private Einblicke in sein Familienleben (siehe auch Hinweis am Ende des Artikels).

Schon immer auch zu Fuss unterwegs
Maurers Vater ist Bergsteiger, er selbst fliegt eigentlich lieber über die Gipfel. Doch seine Liebe zur Natur bringt Chrigel Maurer immer wieder dazu, die Bergwelt auch zu Fuss zu erleben. Viele der 4000er der Alpen hat er bereits bestiegen, oft ist er danach mit dem Gleitschirm wieder ins Tal geflogen. Das Ziel seines neuen Projekts ist nun, auf sämtlichen Gipfeln zu stehen. Oben angekommen gilt es, zum Beweis ein Selfie zu machen.

Der Abstieg erfolgt dann meist zu Fuss, obwohl von einigen wenigen Gipfeln bei guten Bedingungen auch ein Abflug möglich ist. Der Gleitschirm wird allerdings als Transportmittel verwendet, um so weit wie möglich in Richtung des nächsten Gipfels zu fliegen, denn zu Fuss lassen sich die weiten Distanzen in so kurzer Zeit nur schwer überbrücken.

Gemeinsame Vorbereitung
Sein Partner bei dem neuen Projekt ist Peter von Känel. Der erfahrene Alpinist, auch er wohnhaft in Frutigen, bringt laut Maurer viel Erfahrung am Gleitschirm mit. Da von Känel das gleiche Ziel verfolgt, haben sich die beiden zusammengeschlossen und nehmen dieses nun gemeinsam in Angriff. Neben Trainingseinheiten im Fitnessstudio gehört auch die Auswahl des Materials zur Vorbereitung. Da die beiden Sportler ohne externe Unterstützung unterwegs sein werden, müssen sie auf jedes Gramm achten und überflüssigen Ballast vermeiden.

Das Wetter bestimmt die Route
Der Startschuss wird am 8. Juni in Frutigen fallen. Laut Maurer gibt es zwar eine Strategie und einen ungefähren Plan. Doch Taktik und Route müssen kontinuierlich angepasst werden, denn sie sind abhängig von den Wetterbedingungen und der Verfassung der beiden. Die grösste Herausforderung bestehe darin, in allen Situationen gute und sinnvolle Entscheidungen zu treffen, so Maurer. Wenn man so stark auf das Erreichen eines Projekts fokussiert sei, könne es sonst passieren, dass man «in einen Fluss» kommt und dann nicht mehr rational denkt – und das kann gefährlich werden. Auch die tägliche Suche nach einer Unterkunft und die Verpflegung werden die beiden sicher beschäftigen.

Gute Flugbedingungen werden nötig sein
Nach derzeitiger Planung soll die Gipfeltour im Mont-Blanc-Gebiet beginnen. Anschliessend würden sich die beiden bei gutem Wetter in Richtung Süden aufmachen, um den Barre des Écrins zu besteigen, den am weitesten südlich und westlich gelegenen Gipfel. Im Anschluss soll der Weg vom Wallis ins Engadin und bis in die Berner Alpen führen.

Auch wenn Maurer damit rechnet, an einem guten Tag bis zu 10 verschiedene Gipfel «abzuhaken», einfach wird die Tour nicht. Es gilt, erhebliche Entfernungen zu bewältigen, man denke nur an die Entfernung zwischen dem Piz Bernina, dem östlichsten Berg des Gebietes, und dem schon genannten Barre des Écrins in den französischen Dauphiné-Alpen. Maurer und von Känel werden also immer wieder auf gutes Flugwetter angewiesen sein – zu Fuss wären die Strecken in 72 Tagen kaum zu schaffen.

Warum überhaupt genau 72 Tage? «Eigentlich war die Idee, uns 82 Tage für 82 Gipfel zu geben. Weil wir aber beide viele Termine haben, bleiben uns nur 72 Tage.» So müssen die beiden «etwas Gas geben», um ihr ambitioniertes Ziel zu erreichen.

Neue Ziele für die Motivation
Mancher stellt sich angesichts des Projekts vielleicht die Frage, ob es immer neue Herausforderungen braucht, ob es immer weiter, höher und schneller sein muss. «Meine Motivation ist ganz klar, besser zu werden», erläutert Maurer. «Dies gilt bei allem, sei es die Wettkampfvorbereitung oder nun eben ein solches Projekt. Ansonsten würde ich nicht im Fitnesszentrum schwitzen.» Er sei gerne Athlet und nehme die dafür nötigen Anstrengungen auf sich. Aber er brauche stets auch etwas, das ihn motiviere – wie jetzt eben das neue XPeaks-Projekt, von dem er schon länger geträumt habe.

Im kommenden Jahr wird dann wieder das Red Bull X-Alps für einen Motivitaionsschub sorgen. «Das Fliegen selbst ist nicht mehr so speziell», sagt Maurer, «aber ein neues Projekt oder Ziel motiviert mich und spornt mich an, mein Bestes zu geben», so der Ausnahmepilot.

Verfolgen kann man die 72-tägige Gipfeltour via Livetracking über die Website des Projekts: www.xpeaks.ch/live-tracking

Die Premiere des Dok-Films «Chrigel Maurer – Der Überflieger» findet am Donnerstag, 2. Mai, um 19.30 Uhr im Ciné Rex Adelboden statt. Tickets und Link: cine-rex.ch


Gleitschirm-Weltcup Anfang Mai

Vom 4. bis 11. Mai 2024 findet in Grindelwald ein Gleitschirm-Weltcup statt. Aufgabe ist es, einen Kurs zu absolvieren, bei dem gewisse Wegpunkte passiert werden müssen – der Schnellste gewinnt. Chrigel Maurer wird mit seinem Bruder Michael daran teilnehmen. Auch wenn er sich keine Chance auf den Sieg ausrechnet, freut er sich doch sehr, quasi in seiner Heimat an so einer grossen Veranstaltung teilnehmen zu dürfen und dabei viele Kollegen wiederzusehen.

MAS


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